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Grillo hat nun einen weiteren "Schritt zur Seite" gemacht.

Foto: Reuters / Tony Gentile

"Heute beginnt etwas Außerordentliches, ein Abenteuer der Befreiung, der Fantasie, der Utopie, der Träume und der Visionen", schrieb Beppe Grillo am Dienstag in seinem neuen Blog. Einen Bezug zur Politik, zum Wahlkampf, zu der von ihm gegründeten Protestbewegung Movimento 5 Stelle (M5S) oder dem Spitzenkandidaten Luigi Di Maio sucht man vergeblich auf der Seite. "Ich kann keinesfalls ein Bezugspunkt für eure Zukunft sein, diese müsst ihr euch selbst erschaffen", schreibt er an die Aktivisten und Abgeordneten der Protestbewegung.

Das Einzige, was neben dieser Absage im neuen Grillo-Blog noch auf sein politisches Geschöpf verweist, ist ein Link zur offiziellen Seite des M5S, zum "Blog delle Stelle" (Blog der Sterne). Grillos Abschied von seinen "Grillini", seine "Befreiung", wie er das nennt, erfolgt mitten im Wahlkampf für die Parlamentswahl am 4. März. Vor der Wahl 2013 war der bärtige Komiker aus Genua anlässlich seiner "Tsunami-Tour" noch in allen größeren Städten Italiens aufgetreten und hatte seine Protestbewegung im Alleingang zur zweitgrößten Partei hinter dem Mitte-links-Bündnis PD gemacht.

163 völlig unbekannte Kandidaten saßen danach dank Grillos Polemiken gegen die "vollgefressene, abgewirtschaftete Politikerkaste" im Parlament. Ob der Gründer des M5S in diesem Jahr noch an einer Wahlkampfkundgebung der Protestbewegung teilnehmen wird, ist ungewiss. Das "Addio" Grillos mitten im Wahlkampf ist zwar ein politischer Paukenschlag – aber ganz unerwartet kommt dieser nicht. Dass er sich nicht dauerhaft als Anführer des M5S sehe, hatte der 69-Jährige schon Anfang 2016 anklingen lassen, als er sagte, er wolle "als Politiker einen Schritt zur Seite" machen und wieder vermehrt als Komiker auftreten – was er dann auch tat.

Revolutionäre Phase vorbei

Zu seiner inneren Abkehr von der Protestbewegung beigetragen hatte auch der Tod seines Kompagnons Roberto Casaleggio, des Inhabers der Internetfirma Casaleggio & Associati und Webgurus der Bewegung, im April 2016. Die Plattformen von Casaleggio & Associati waren nicht nur für Grillos Blog zuständig, sondern auch für die Internet-Abstimmungen der M5S-Aktivisten. Für seine neue Internetseite hat Grillo nun ein anderes Unternehmen gewählt. Grillo musste auch feststellen, dass seine Protestbewegung in den letzten Wochen viele der alten Ideale und Prinzipien über Bord geworfen hat. So hat der Spitzenkandidat des M5S, der 31-jährige Süditaliener Luigi Di Maio, unlängst betont, dass ein Referendum über den Euro-Austritt "nicht mehr erforderlich" sei.

Zuvor war das Euro-Referendum das zentrale Anliegen und Wahlversprechen der "Grillini" gewesen. Abgeschafft wurde auch das Verbot, mit der politischen Konkurrenz – den "korrupten Systemparteien" – Koalitionen einzugehen. Mit anderen Worten: Die revolutionäre Phase des M5S ist vorbei, die Protestbewegung ist in der Realität angekommen. Nach den nächsten Wahlen will man als möglicherweise stärkste Einzelpartei mitregieren, und da sind Kompromisse unumgänglich.

Die Führung des M5S hat auf den Abschied des Gründers gefasst reagiert. "Die Bewegung steht inzwischen auf ihren eigenen Beinen", erklärte Di Maio. Die politische Linie gäben ohnehin die Bürger per Internet-Abstimmung vor sowie der politische Chef, also Di Maio selbst. Beppe Grillo bleibe "der Garant" der Bewegung, betonte Di Maio, sein Abschied sei nicht Folge eines "Vatermords".

Führung in Umfragen

Davide Casaleggio, der nach dem Tod seines Vaters Roberto für die Internetplattform der Protestbewegung zuständig war, wünschte Grillo "viel Glück" mit seinem neuen Blog. "Mein Vater und Beppe haben Geschichte geschrieben – wir werden auch ohne sie mit demselben Enthusiasmus weitermachen."

Wie stark sich der Rückzug der Galionsfigur Grillo auf den Wahlausgang auswirken wird, bleibt abzuwarten. Seine bisherigen Teilrückzüge hatten der Bewegung nicht geschadet, im Gegenteil: Die Protestpartei hat den PD in den Umfragen schon vor Monaten überholt und liegt mit 27 Prozent vor allen anderen Parteien in Führung. Ihren Zenit scheint die Bewegung allerdings überschritten zu haben: Vor rund einem halben Jahr war die Zustimmung noch bei über 30 Prozent gelegen. (Dominik Straub aus Rom, 24.1.2018)