Als Joseph Brodsky starb, da wütete die FAZ wild gegen diesen Tod. Denn viel zu früh, 56-jährig, war das Herz des 1940 in St. Petersburg geborenen, von den Sowjets verfolgten, ausgewiesenen und in den USA ansässig gewordenen Dichters, Venedig-Liebhabers und Literaturnobelpreisträgers stehengeblieben. Der Wiener Schauspieler Christian Reiner, dessen Hölderlin-Rezitation 2012 vokal extravagant ausfiel, liest nun in Elegie an John Donne, einer großartigen ECM- und Wolf-Wondratschek-Produktion, neun Lang- und kürzere Poeme.

Mit Mut zur Stille, mit langen Pausen zwischen den Zeilen und Strophen, ohne aber die Verse manieriert zu überhöhen. Einen schöneren Zugang zu Brodskys komplexer Lyrik gibt es kaum. Das Booklet ist vorbildlich. Es enthält einen Erinnerungsessay der Schweizer Autorin und Übersetzerin Ilma Rakusa, die Brodsky seit 1972 kannte, und einen Aufsatz des Anglisten Klaus Reichert über John Donne. Dazu kommen Aufnahmen von Brodsky und ein Foto des Arbeitsmanuskripts von Christian Reiner. (Alexander Kluy, 27.1.2018)