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Alexej Nawalny bei der Kundgebung am Sonntag

Foto: AP/Evgeny Feldman

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Der Protestmarsch in Moskau, gerichtet gegen Wladimir Putin, der in Form einer Maske dabei sein durfte.

Foto: Reuters/SERGEI KARPUKHIN

Moskau – Knapp zwei Monate vor der russischen Präsidentenwahl hat die Polizei durchgegriffen und den Oppositionellen Alexej Nawalny bei einer nicht genehmigten Demonstration kurzzeitig festgenommen. In einem Video war am Sonntag zu sehen, wie Polizisten Nawalny recht ruppig ergriffen, als er auf dem Weg zu der Kundgebung im Zentrum Moskaus war.

Der 41-Jährige ging kurz zu Boden, als die Beamten ihn in einen Polizeibus brachten. Am Abend wurde er nach Angaben seines Anwalts wieder freigelassen. Die Sicherheitsbehörden hätten keine konkreten Vorwürfe erhoben, Nawalny werde aber vor Gericht erscheinen müssen.

Festnahmen in mehreren Städten

Das Bürgerrechtsportal "OVD-Info" berichtete von mindestens 240 Festnahmen in mehreren Städten bei Nawalnys "Wählerstreik". Eine Gewalteskalation wie bei Protesten 2017 blieb in Moskau aber aus.

Mit dem Protest demonstriert Nawalny gegen seinen Ausschluss von der Präsidentenwahl am 18. März. Er will die Russen zu einem Boykott bewegen. Lange hatte sich der Blogger und selbsternannte Antikorruptionskämpfer bemüht, gegen Amtsinhaber Wladimir Putin antreten zu dürfen. Die Wahlleitung schloss ihn aber wegen einer umstrittenen Bewährungsstrafe in einem Fall von Unterschlagung aus. Ein Wahlsieg Putins gilt ohnehin als sicher. Nawalny argumentiert, dass es durch seinen Ausschluss keinen echten Gegenkandidaten gebe.

Hunderte Festnahmen im Jahr 2017

Nawalny hatte 2017 mehrfach Massenproteste gegen die Staatsführung organisiert, bei denen hunderte Menschen festgenommen wurden. Für Experten ist diesmal vor allem die Teilnehmerzahl spannend. Eine große Beteiligung wäre ein Zeichen für eine breite Unterstützung von Nawalnys Wahlboykott; eine geringe Mobilisierung könnte als Hinweis auf die Schwäche der Opposition gedeutet werden.

Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl in Moskau bei Minusgraden auf rund 1.000, Beobachter hielten 2.000 bis 3.000 für möglich. Dennoch war der Zulauf im Vergleich zu Kundgebungen 2017 geringer. Gesicherte Zahlen lagen zunächst nicht vor.

Auch in St. Petersburg, Jekaterinburg und anderen großen Städten kamen hunderte Menschen zu Kundgebungen. Allerdings waren es nach Schätzungen von Reuters-Reportern weniger Teilnehmer als bei früheren Demonstrationen, zu denen Nawalny aufgerufen hatte.

Russland-Fahnen und Nawalny-Abzeichen

Vor allem junge Menschen folgten Nawalnys Aufruf in Moskau. Einer von ihnen war der 15-jährige Sergej, der schon zum zweiten Mal dabei war. "Beim ersten Mal hatte ich noch Angst, festgenommen zu werden. Jetzt habe ich Angst, dass es keine Zukunft für Russland gibt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Viele hatten rote Nawalny-Zeichen und Russland-Fahnen dabei. Der 31-jährige Andrej sagte, die Demonstranten seien friedlich. "Wenn es eskaliert, ist es nicht unsere Schuld."

Zwar blieben große Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten aus, aber schon im Vorfeld griff die Polizei gezielt und präventiv durch. Sicherheitskräfte durchsuchten Nawalnys Moskauer Büro und beschlagnahmten Material. Sie hätten die Tür aufgebrochen und seien in die Aufnahme einer Videobotschaft hereingeplatzt, hieß es. Die Polizisten hätten eine Bombe gesucht.

Mehrere enge Mitarbeiter Nawalnys wurden festgenommen. Zu seiner eigenen Festnahme schrieb er: "Das hat nichts zu bedeuten. Ihr geht nicht für mich auf die Straße, sondern für euch und eure Zukunft."

Videobotschaft

"Euer Leben steht auf dem Spiel", hatte Nawalny in einer Videobotschaft an seine Anhänger gesagt. "Wie viel länger wollt Ihr mit diesen Dieben, Fanatikern und Perverslingen an der Macht leben?", fragte er. "Früher oder später werden sie auch eure Tür aufschneiden."

Seit Mitte Jänner hatten die Behörden den Druck auf Nawalny erhöht. Sein Team berichtete, Aktivisten seien befragt und Mitarbeiter festgenommen worden. Täglich habe es vier bis fünf Durchsuchungen in den Büros gegeben, sagte Stabschef Leonid Wolkow der Zeitung "Nowaja Gaseta". "Ihr Ziel ist es, uns Organisatoren zu stören. Beim harten Kern unserer Freiwilligen heizt das aber nur die Stimmung an."

Auch der Politloge Abbas Galljamow schätzte, dass das Vorgehen der Behörden Nawalnys Team anstachle. Zugleich schrecke es aber auch andere ab. "Es verhindert, dass sich der Protest ausweitet."

Die meisten Festnahmen gab es "OVD-Info" zufolge in unbedeutenderen Provinzstädten wie Tscheboxary an der Wolga und Ufa am Ural-Gebirge. In anderen Orten endete der Protest Berichten zufolge friedlich. Die Massenfestnahmen und Gewalteskalationen in Moskau und St. Petersburg, den "Schaufenstern Russlands", hatten 2017 scharfe internationale Kritik ausgelöst. (APA, Reuters, 28.1.2018)