Künstler Oliver Ressler (geb. 1970, lebt und arbeitet in Wien) begann im Jahr 2000 mit dem Medium Film zu arbeiten: "Ich versuche über meine künstlerische Praxis über bestimmte ökologische Zusammenhänge zu informieren und versuche meine Arbeit an soziale Bewegungen anzudocken, weil ich glaube, dass gesellschaftliche Aufklärung allein zu wenig ist und mit sozialem Aktivismus direkt verknüpft werden muss."

Foto: Gregor Hartl, Lentos

Wien – Alle juristischen Hürden waren beseitigt, die Finanzierung gesichert. Trotzdem hat die Regierung von Frankreichs Präsident Macron das Projekt Großflughafen Nantes am 17. Jänner gekippt. Endgültig. Die Reaktionen fielen erwartbar divers aus. "Wir waren praktisch am Ziel, und jetzt gibt man auf?!", erzürnte sich ein konservativer Abgeordneter über das, was Umweltschutzorganisationen nun als Sieg verbuchen. Die Regierung sah keine Zukunft für das riesige Infrastrukturprojekt, zu verfahren seien die Konflikte zwischen Befürwortern und Gegnern.

2012 hatte sich die Situation zugespitzt, als die Polizei das 16 Quadratkilometer große, seit 2010 besetzte Areal räumen wollte. "Opération César" nannte sie das. Auf diesen Zynismus in der Bretagne antworteten die "Gallier" nach tagelangem Einsatz gegen 40.000 Mobilisierte als "Opération Asterix". Seither betrat die Polizei das ZAD, wie die Besetzer die "Zu verteidigende Zone" (zone à défendre") nennen, nicht mehr.

Dem ZAD hat der in Wien lebende Künstler Oliver Ressler (47) einen seiner jüngsten Filme gewidmet. Er ist Teil einer verschiedenen Formen zivilen Ungehorsams gewidmeten Serie, Everything’s coming together while everything’s falling apart, aus der nun vier Filme im Kunsthaus Wien zu sehen sind. Der Titel "Alles fügt sich zusammen, während alles auseinanderbricht" spiele auf den "quasi in Zeitlupe vor unseren Augen stattfindenden Zusammenbruch von Ökonomie und demokratischen Systemen" an.

"The ZAD" (2017) zeigt Europas größtes autonomes Gebiet in der Nähe der französischen Stadt Nantes (aus der Serie "Everything's coming together while everything's falling apart).
Filmstill: Oliver Ressler

Der Politologe Xavier Crettiez spricht in Zusammenhang mit ZAD vom "radikalen Aktivismus". Die Verteidigung der Umwelt werde mit Widerstand gegen die liberale Produktivitätslogik gemischt. Formulierungen, die nahelegen, diese Verknüpfung entbehre einer Logik und sei also nicht legitim. In Resslers Film scheint Crettiez jedoch einer der ZADisten, der Globalisierungsgegner John Jordan (von "Reclaim the Streets"), zu entgegnen: "Es geht gegen die Welt, die der Flughafen repräsentiert."

Und im STANDARD-Gespräch ergänzt Ressler – etwa im Hinblick auf die geplante dritte Piste in Schwechat: "Österreich hat so wie die meisten Staaten im globalen Norden das Abkommen von Paris, das COP21, unterschrieben, und darin sind verpflichtend Kohlendioxidreduktionen vorgesehen. Wenn man diese Verpflichtungen ernst nimmt, ist es natürlich total unmöglich und völlig irrsinnig, Flughäfen noch auszubauen."

Bilder zivilen Ungehorsams in der Lausitz 2016: Die Blockade eines Braunkohletagebaus durch 4000 Aktivisten erzwang das Herunterfahren eines Kraftwerks. Oliver Resslers "Ende Gelände" (2016) aus der Serie "Everything's coming together while everything's falling apart".
Filmstill: Oliver Ressler

Dass sich das öffentliche Bewusstsein ändere, hält Ressler schon für möglich, aber "solange Erdöl aus Teersanden in Kanada gewonnen wird und das daraus entstandene Erdöl und Erdgas dann rund um den Planeten verkauft wird, ist es völlig egal, ob ich eine Energiesparlampe habe oder vegan lebe". Über persönliches Verhalten sei das nicht kompensierbar. "Die größten Massen um den Globus herum werden von der US-Army, von Walmart und vom Konzern Glencore bewegt, da haben Individuen überhaupt keinen Zugriff. Das heißt, man muss bei den Strukturen anfangen."

Ressler erlaubt sich in seinen Filmen, die Themen Klimawandel, fossile Energien, Freihandel und Kapitalismus zusammen zudenken, was ihn mit den Aktivisten von ZAD eint. ZAD sei allerdings kein Modell, das sich zwanghaft über alle "drüberstülpe", sondern bestünde neben den Anrainern aus vielen Kollektiven. "Ein Gelände, das jetzt völlig autonom vom französischen Staat ist. Es gibt dort weder Steuern noch Strom, fließendes Wasser, Müllabfuhr, Polizei oder Krankenhaus. Der Staat hat sich dort zurückgezogen." Ein für ihn spannender experimenteller Raum zur Entwicklung von Alternativen, auch zum demokratischen Zusammenleben: Mit der Aufforderung der Regierung, das Areal noch dieses Frühjahr zu räumen, wären nun diese neuentwickelten sozialen, ökologischen und architektonischen Formen bedroht.

"Sich im Ackerbau Übende"

Im Juni 2017 blockierten circa 500 AktivistInnen in Amsterdam einen Tag lang Europas zweitgrößten Kohlehafen: "Code Rood" (2018) aus der Serie "Everything's coming together while everything's falling apart "
Filmstill: Oliver Ressler

In vielen Medien wird ein negatives Bild von ZAD gezeichnet. So taucht es etwa in Zusammenhang mit einer Demonstration gegen ein Staudammprojekt 2014 auf, wo unter anderem Molotowcocktails geschleudert worden sein sollen. "Umweltbewegte und Systemgegner" und "junge Protestler, die sich in Ackerbau üben" witzelte die FAZ, die Welt ortete ein "Sammelbecken für Bauern aus der Region, Anarchisten, radikale Öko feministinnen und Chaoten aus ganz Europa". Dieses Bild in den "nicht gerade progressivsten Medien" findet Ressler nicht weiter verwunderlich. "Auf jeden Fall ist die Strategie herauszulesen, es lächerlich zu machen und ihm Bedeutung abzusprechen."

"Code Rood" (2018)
Filmstill: Oliver Ressler

Medial dominieren Aufnahmen von brennenden Barrikaden und vermummten Autonomen, ein, so Ressler auf Basis zahlreicher teilnehmender Beobachtungen, nicht repräsentativer Eindruck. So hält sein 30-Minüter The ZAD dem als Ausgleich das Bild einer friedlichen Sommeridylle entgegen: Vögel zwitschern, ein paar Kühe werden über den Weg getrieben, und die zur Seite gerückten Straßenblockaden auf der D281 erinnern, längst von Natur überwuchert, eher an Maßnahmen gegen Raser.

So wie in vielen anderen seiner Projekte entwickelt Ressler den Film über das gesprochene Wort der Aktivisten. Es sind bewusst keine Dokumentarfilme, die mit Stimme und Gegenstimme arbeiten, sondern Arbeiten, die auch als politisches Statement funktionieren. "Aufklärung allein ist zu wenig und muss mit sozialem Aktivismus verknüpft werden."

Noch stärker spürbar ist dies bei Filmen, die Ressler stattdessen mit poetisch formulierten Essays, wo sich "Terra" auf "Terror" reimt, unterlegt. Abgeholt werden so jedoch nur die bereits Aufgeklärten, und man entfernt sich davon, mit – im Sinne eines Empowerments – Argumenten gegen neoliberalen Kapitalismus aufzurüsten. (Anne Katrin Feßler, 29.1.2018)

"COP 21" (2016) aus der Serie "Everything's coming together while everything's falling apart "
Filmstill: Oliver Ressler