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Türkische Soldaten rücken im syrischen Afrin immer weiter vor. In der Türkei selbst sind hunderte Kritiker der Operation Olivenzweig festgenommen worden.

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Ankara/Damaskus – Seit Beginn der türkischen Offensive gegen die syrischen Kurden in Afrin sind in der Türkei mehr als 300 Menschen wegen "Terrorpropaganda" festgenommen worden. Laut Innenministerium ist die Zahl der Festnahmen bis Montag auf 311 gestiegen.

Die Staatsanwaltschaft in Ankara leitete am Montag zudem Ermittlungen gegen elf Mitglieder des Zentralrats der Türkischen Medizinischen Vereinigung (TTB) ein, wie die Zeitung "Hürriyet" berichtete. Die TTB hatte am Mittwoch in einer Erklärung "Krieg als von Menschen gemachtes Problem der öffentlichen Gesundheit" bezeichnet und gewarnt, Konflikte führten zu "irreparablen Problemen". Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisierte die Erklärung in einer Rede am Freitag als "unehrenhaft" und bezeichnete die Unterzeichner als "Terroristen-Liebhaber". Die TTB beklagte daraufhin, dass es eine Vielzahl an Drohungen gegen sie gegeben habe.

Bereits in den ersten Tagen nach Beginn der Operation Olivenzweig am 20. Jänner waren bei Razzien dutzende Verdächtige festgenommen worden. Ihnen wird vorgeworfen, in sozialen Medien "Propaganda" für die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) zu betreiben. Die Türkei betrachtet die YPG als syrischen Zweig der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die seit 1984 im Südosten Anatoliens gegen den Staat kämpft. Mit der Operation will die Türkei nun die YPG-Kämpfer aus Afrin vertreiben.

Weitgehender Schulterschluss in türkischer Politik

In der Türkei wird die Offensive von praktisch sämtlichen Medien unterstützt. Auch die Oppositionsparteien CHP und MHP haben sich hinter das Vorgehen der Regierung gestellt. Die einzige Partei, die die Militäroperation in Afrin offen kritisiert, ist die prokurdische HDP. In einem Schreiben an die UN und die EU rief sie am Montag die Staatengemeinschaft zum Handeln gegen die "Invasion" auf.

"Diese Invasion bringt die Zerstörungen des Krieges in Syrien nach Afrin, das bisher eine weitgehend sichere Region war", mahnt die HDP in dem Schreiben. Die türkische Armee werde bei dem Angriff von mehreren Jihadistengruppen unterstützt. Es gebe keine Sicherheitsbedrohung aus Afrin, diese Behauptung diene der Türkei nur als Vorwand, um die politischen Gewinne der Kurden in Syrien zunichtezumachen.

Entgegen der türkischen Darstellung verstoße die Operation zudem klar gegen internationales Recht, kritisiert die Partei. Demnach wurden bisher 209 HDP-Mitglieder wegen Terrorpropaganda festgenommen. Die Partei steht schon lange im Visier der Regierung, die sie als politischen Arm der PKK betrachtet. Die HDP bestreitet jede Verbindung.

Deutsche Panzer im Einsatz

Auf Bildern der türkischen Offensive gegen die YPG waren in den vergangenen Tagen immer wieder Leopard-2-Panzer zu sehen. Deutschland hatte der Türkei bis Ende 2011 insgesamt 354 Kampfpanzer des Typs Leopard 2 geliefert und dem Nato-Partner für deren Einsatz keine Auflagen gemacht.

Am Montag bestätigte die Türkei den Einsatz der Panzer: "Nach Angaben der türkischen Regierung finden aus Deutschland gelieferte Leopard-2A4-Panzer im Rahmen der am 20. Jänner 2018 begonnenen Operation 'Olivenzweig' der türkischen Streitkräfte Verwendung", heißt es in einem Bericht des deutschen Wirtschaftsministeriums an den Bundestag. "Erkenntnisse zu konkreten Einsätzen liegen der Bundesregierung nicht vor", schreibt das Ministerium in dem am Montag bekanntgewordenen Bericht.

Damm unter Beschuss

Bei der Offensive sind Berichten zufolge auch ein wichtiger Damm sowie archäologische Stätten beschädigt worden. Die Einwohner Afrins fürchteten eine Überflutung der Region, sollte der "Damm des 17. April" brechen, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, am Montag. Der Damm im Gebiet Maidanka sei bereits dreimal seit Beginn des türkischen Einsatzes bombardiert worden.

Die USA kündigten indes an, der türkischen Aufforderung nach Abzug der US-Truppen aus der Region um die syrische Stadt Manbij nicht Folge zu leisten. Ein Rückzug der US-Einheiten werde nicht erwogen, zitierte der Sender CNN am Montag auf seiner Webseite den Oberbefehlshaber des US-Zentralkommandos, Joseph Votel.

Syrer den der Grenze erschossen

Weiter östlich der Offensive in Afrin kam es am Montag zu einem tödlichen Zwischenfall: Türkische Soldaten haben einem Bericht zufolge einen Syrer an der syrisch-türkischen Grenze erschossen und einen weiteren schwer verletzt. Die beiden Männer hätten versucht, illegal von der syrischen auf die türkische Seite der Grenze in die Provinz Mardin zu gelangen, berichtete die Nachrichtenagentur DHA am Montag.

Die Soldaten hätten die Syrer zum Anhalten aufgefordert, worauf diese jedoch nicht reagiert hätten. Daraufhin seien Warnschüsse abgegeben worden. Nach Angaben von DHA wurden Ermittlungen eingeleitet, auch dahingehend, ob die beiden Syrer in Verbindung zur YPG-Miliz stünden. Die türkischen Streitkräfte bestätigten den Vorfall zunächst nicht. (APA, 29.1.2018)