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Im Dezember gelang es Theresa May, die EU-Partner und die Hardliner in der eigenen Partei mit Zusagen zu besänftigen. Nun droht neuer wilder Streit um Großbritanniens Status nach dem Brexit.

Foto: AP/Oliver Mathys

Wie eine On-off-Beziehung eines leidenschaftlich in Liebe und Hass miteinander verbundenen Paares – daran erinnert das Hin und Her, das sich die britische Regierung von Theresa May und der Rest der EU zu dem für Ende März 2019 geplanten Austritt Großbritanniens aus der Gemeinschaft liefern.

Ihr Land werde dann "nicht mehr Mitglied der Union sein", hatte die Premierministerin beim EU-Gipfel vergangenen Dezember versichert. Und sie kündigte an, dass London alle EU-Verpflichtungen einhalten werde: Zahlung von rund 40 Milliarden Euro über 2019 hinaus ebenso wie bei der Sicherung der Rechte der EU-Bürger und zur offenen Grenze zwischen Irland und Nordirland.

Die Staats- und Regierungschefs zeigten sich glücklich. Die EU-27 sagten ihrer schwierigen Partnerin zu, ab sofort auch über ein mögliches künftiges Freihandelsabkommen zu verhandeln, auf dass Wirtschaft und Gesellschaft beim Brexit 2019 keinen Schaden nehmen. Man hätte also annehmen können, dass die Verhandlungen nach dem Jahreswechsel harmonisch weitergehen.

"Leitlinien"

Weit gefehlt. Am Montag kamen die zuständigen EU-Minister im Allgemeinen Rat zusammen – für Österreich der neue Europaminister Gernot Blümel (ÖVP), um weitere "Leitlinien" zu beschließen, nach denen ihr Chefunterhändler Michel Barnier vorgehen soll. Diese konkretisieren einen Zeitplan. Ein Abschluss eines Austrittsvertrages soll bis Oktober gelingen, damit sich das Europäische Parlament rechtzeitig auf eine Abstimmung darüber noch vor den EU-Wahlen 2019 einstellen kann.

Heikel im Barnier-Mandat ist aber vor allem, mit welchen Konditionen eine "Übergangsperiode" für die Briten ablaufen wird, wenn sie am 29. März 2019 Mitternacht formell zwar ausscheiden, aber de facto noch alle geltenden EU-Regeln gelten, bevor ein neuer Freihandelsvertrag volle Gültigkeit erlangt. Um eine solche Zwischenperiode, in der das Vereinigte Königreich weiter voll am Binnenmarkt teilhat und Zollfreiheit genießt, hatte May die EU-Partner im Herbst dringend ersucht. Ihr war klar geworden, dass es rein technisch unmöglich ist, den Brexit mit einem Schlag zu bewerkstelligen. Dafür hatte sie die Hardliner in ihrer Partei erst niederringen müssen, die sich für den raschen totalen Schnitt mit der Union – den "harten Brexit" – aussprechen. Aber die Premierministerin setzt auf einvernehmlichen Umgang, einen "weichen Exit". Der hat gravierende Nebenwirkungen, wie die Leitlinien zeigen. Die EU-27 haben zur Entscheidung "keine zwei Minuten gebraucht", sagte eine EU-Unterhändlerin. Sie seien völlig einig.

Während der Übergangszeit von 21 Monaten "bis zum Ende der Finanzperiode am 31. Dezember 2020" müsste Großbritannien weiterhin EU-Regeln umsetzen – sogar solche, die neu beschlossen werden. Anders als als formelles EU-Mitglied wird London dann aber in den EU-Ministerräten nicht mehr mit darüber abstimmen dürfen, Gast sein. Es wird im EU-Parlament ab April 2019 keine britischen Abgeordneten geben. Von bisher 73 britischen Mandaten werden 51 gestrichen, der Rest auf andere Länder verteilt.

Hardliner in London toben

Die Hardliner in London sehen darin den ultimativen Beweis, dass die EU ihr Land zu einem Vasallen, einem Befehlsempfänger, machen wolle – und toben gegen diese Pläne. Die Premierministerin wird sich also etwas einfallen lassen müssen, um das Unterhaus in London, das ohnehin mehr Einfluss auf ihre Tändeleien mit Juncker, Merkel und Co in Brüssel haben will, zu besänftigen.

Seitens der Briten "liegen noch keine Vorschläge auf dem Tisch", erklärte dazu Europaminister Blümel bei seinem ersten EU-Ministerrat. Er bereitet sich darauf vor, dass Österreich bei seinem EU-Vorsitz im zweiten Halbjahr einiges abkriegt von einem möglichen Verhandlungschaos. Britische Beobachter sehen das eher gelassen.

Man werde im Notfall Ende 2018 einen eher allgemein gehaltenen EU-Austrittsvertrag abschließen. Mit all den Details zum Austritt bzw. beim Übergang in eine neue Freihandelsbeziehung gelten dann eben die alten Regeln. Die "echte" Trennung könnte dann sehr lange dauern – oder nie stattfinden. (Thomas Mayer, 29.1.2018)