Umweltlandesrat Rauch will Touristikern Grenzen setzen.

Foto: Landespressestelle

Bregenz – Eine Stunde braucht man mit dem Auto von Bregenz ins Montafon, zwei Stunden mit Öffis. Informationen aus dem Tal im Süden Vorarlbergs erreichen die Landeshauptstadt anscheinend erst nach Jahren.

So berichtete Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne) am Montag in einer Eilt-Pressekonferenz empört über ein "überdimensioniertes Beschneiungsprojekt", das hinter verschlossenen Türen entschieden werde. Die Betreiberin, die Silvretta-Montafon-Holding, konterte: Das Projekt sei seit Jahren bekannt.

Die Rede ist von einem Speichersee auf 2.100 Metern Seehöhe im Gebiet der Gemeinden St. Gallenkirch und Gaschurn, der Wasser für die schnelle Kunstschneeproduktion liefern soll. Auf einem Karboden, in alpiner Feucht- und Moorlandschaft, soll ein See gebaggert werden, der der Größe von zwölf Fußballfeldern entspricht. Der umgebende Schutzdamm soll bis zu 26 Meter hoch werden. Umgerechnet auf ein Wohngebäude entspräche das rund neun Geschoßen.

"Dieses Megaprojekt darf es so nicht geben", sagte Rauch und wünschte sich eine Diskussion über Grenzen des Wachstums für den Wintertourismus und über Interessenabwägung. Im öffentlichen Interesse sei der "Naturfrevel" nicht.

Öffentlich oder auch nicht

Bei der Silvretta-Montafon-Holding war man über die Aufregung im Landhaus überrascht und konterte drei Stunden später ebenfalls mit einer spontanen Pressekonferenz. Geschäftsführer Peter Marko: "Der Prozess hier im Montafon läuft seit vier Jahren. Wir haben öffentliche Informationsveranstaltungen in vier Gemeinden abgehalten, 3.000 Unterschriften für das Beschneiungsprojekt gesammelt. Von Ausschluss der Öffentlichkeit kann keine Rede sein."

Hinter dem Bau stünden geschlossen alle Bürgermeister des Tals, die Wirtschaftsgemeinschaft, die Skivereine und der Tourismusverband. "Wir haben unser Projekt dadurch breit in der Bevölkerung abgesichert", sagt Marko. Die Grünen zweifeln an der Breite.

Nadine Kasper, einzige Gemeindemandatarin der Grünen im Montafon: "Ich bin seit 2015 Gemeindevertreterin in Vandans und höre heute zum ersten Mal von diesem Großprojekt." So gehe es auch Mandataren anderer Parteien und auch tourismusaffinen Bürgerinnen und Bürgern, die sie befragt habe. Niemand wisse von Informationsveranstaltungen oder einer Unterschriftenaktion. Bei einem Vortrag des Montafoner Tourismusdirektors vor wenigen Wochen sei das Projekt mit keiner Silbe erwähnt worden.

Bergsee oder Stausee?

Marko sieht im Gegensatz zu Umweltlandesrat, Naturschutzanwaltschaft und Naturschutzsachverständigen keine ökologische Beeinträchtigung: "Es besteht hier eine natürliche Senke, die muss man nur ausbaggern. Dann sieht man nur noch einen natürlichen Bergsee." Referenzprojekte könne man sich in Kitzbühel und im Schweizer St. Moritz ansehen.

Man brauche den Speicher (Fassungsvermögen 307.200 Kubikmeter Wasser) zur Absicherung der schneearmen Vorsaison, sagt Marko. An den wenigen kalten Tagen könne man durch das rasche Abpumpen innerhalb von 70 Stunden Schneevorräte produzieren. Man werde keine neuen Depots anlegen, sondern die bereits genehmigten über den Speicher füllen. Das Aushubmaterial werde man zur ökologischen Gestaltung der Umgebung verwenden, sagt Marko.

Zahnlose Gesetze

Laut Projektbeschreibung wird das Material auch zur Verbreiterung der Skiroute 44 gebraucht. Damit würde aus natürlichem Gelände durch bauliche Veränderungen eine Skipiste. Zur Erklärung: Skirouten sind unpräparierte, unkontrollierte Hänge, die nicht bearbeitet wurden. Durch Geländeveränderungen würde die Route zur Piste. Zusätzliche Skipisten, Neuerschließungen, sind in Vorarlberg aber seit den 1980er-Jahren nicht mehr gewollt. Rauch befürchtet, dass in der Abwägung der Interessen wirtschaftliche Interessen dominieren werden. Es gehe ihm nicht darum, den Skitourismus zu verdammen, sondern Gigantomanie zu verhindern.

Umweltlandesrat Rauch spricht von "zahnloser Umweltgesetzgebung" auf Bundes- wie auf Landesebene. Er bedauert, dass für das Beschneiungsprojekt keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gemacht werden müsse. Dafür seien die Schwellenwerte nicht hoch genug. "Es bräuchte ein Volumen in Höhe von zehn Millionen Kubikmeter. Das macht deutlich, wie jenseitig das Vorhaben der Bundesregierung ist, das UVP-Recht noch weiter zurückzuschrauben", warnt Rauch vor geplanten Gesetzesänderungen.

Die Betreiber hoffen auf Baubeginn 2019, investiert werden zehn bis zwölf Millionen Euro. (Jutta Berger, 29.1.2018)