Der Schnee-Enzian leidet nicht nur unter dem Klimawandel, sondern auch unter der Konkurrenz durch nachrückende Arten
Foto: Muriel Bendel

Wien – Die Alpen sind vom Klimawandel besonders stark betroffen: Hier sind die Temperaturen in den vergangenen 120 Jahren um knapp zwei Grad Celsius gestiegen. Das ist fast doppelt so viel wie der globale Durchschnitt. Und wenn die Prognosen stimmen, wird sich dieser Trend der schnelleren Erwärmung in den nächsten Jahrzehnten fortsetzen.

Das hat nicht nur Folgen für den Wintertourismus, sondern natürlich auch für die Fauna und Flora des Alpenraumes. Als offensichtlichste Auswirkung "wandern" Pflanzen langsam in höhere Besiedlungszonen, wo es kühler ist. Diese "Flucht nach oben" ist mittlerweile recht gut erforscht.

Aber um wie viele Höhenmeter geht es dabei? Und wie wirkt sich diese botanische Migration auf die Bestandszahlen der verschiedenen Arten aus?

183 untersuchte Blumenarten

Diesen Fragen ging ein österreichisch-schweizerisches Botaniker- und Ökologenteam um Sabine Rumpf und Stefan Dullinger (Uni Wien) nach, das in alpinen Regionen in Österreich, Italien, Slowenien, Deutschland und der Schweiz Vegetationsaufnahmen von insgesamt 183 Alpenpflanzen gemacht hat.

Die Ergebnisse der Untersuchungen, die im Fachblatt "PNAS" veröffentlicht wurden, zeigen zwar große Unterschiede zwischen den einzelnen Arten, im Durchschnitt sind aber sowohl die obere und untere Verbreitungsgrenze als auch der Höhenschwerpunkt der Verbreitung um 20 bis 35 Meter nach oben gewandert. Innerhalb ihres Verbreitungsgebietes sind viele Arten häufiger geworden. "Der größte Teil der Alpenflora scheint vom Klimawandel bisher eher zu profitieren", sagt Sabine Rumpf.

Verschiebungen der Verbreitung am Beispiel von vier Pflanzenarten: Die Spezies wandern nach oben, und ihr Höhenintervall wird größer, außer bei einigen Arten ganz oben.
Foto: Rumpf et al., PNAS 2018

Ungleiche Geschwindigkeiten

Insgesamt ergibt sich zudem eine "Alpenflora der ungleichen Geschwindigkeiten": Die weiter unten lebenden Arten breiten sich schneller nach oben aus und haben stärker zugenommen, während die hochalpine Flora quasi eingequetscht wird, so Rumpf: Rund ein Fünftel der untersuchten Arten ist in den letzten Jahren seltener geworden und besiedelt ein schmäleres Höhenband.

Auch die Alpenaster gehört zu den Klimawandelverliererinnen.
Foto: Stefan Dullinger

Zu diesen 33 Spezies gehören etwa der Schnee-Enzian, die Alpenaster oder der Trauben-Steinbrech, die bevorzugt in den höheren und höchsten untersuchten Lagen zu finden waren. Diese Alpenblumen, so die Befürchtung, leiden sowohl unter dem Klimawandel wie auch unter der zunehmenden Konkurrenz durch nach oben wandernde Arten. (tasch, 29.1.2018)