Am Sonntag kommt es im Allianz-Stadion wieder zum Derby zwischen Rapid und der Austria.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Wien – Wenn am Wochenende die Bundesliga mit dem Derby zwischen Rapid und Austria aus der Winterpause zurückkommt, geht es nicht nur um Emotionen. Für zwei traditionsreiche Wiener mittelständische Unternehmen ist das Spiel ein Mosaikstein auf dem Weg zu wirtschaftlichem Erfolg im laufenden und nächsten Jahr.

Denn der Endrang in der Tabelle lässt sich in Euro umrechnen. "Wir nehmen beispielsweise in der Budgetplanung 65 Punkte und Endrang zwei an und wissen aus Erfahrung, wie viel Einnahmen uns das bringt", rechnet Rapid-Geschäftsführer Christoph Peschek vor. Monatlich prüfe das Controlling, wo die Firma liegt und wo man wirtschaftlich "nachschärfen" muss. Allerdings heißt die Prüfung im Verein "Viererkette" – dass es um Fußball und Emotionen geht, lässt sich zu keinem Moment verleugnen.

Internationales Geschäft

Groß ist der Bruch zwischen einem Champions-League-Platz, einem Europa-League-Platz und den Rängen dahinter in der Schlusstabelle. Denn erst mit den europäischen Bewerben fließt das große Geld. "Fast schon absurd" (Peschek) ist es, wie viel man mit einer Teilnahme an der Champions League verdienen kann: Zwei Runden Qualifikation für den Topbewerb in Europas Fußball haben Rapid ähnlich hohe Einnahmen gebracht wie die Gruppenteilnahme in der Europa League (sechs Spiele).

Bei Rapid brachte in der Vorsaison das internationale Geschäft acht von 42 Millionen Euro (19 Prozent), bei der Austria 5,5 von 32 Millionen (17 Prozent) Umsatz. "Wenn das fehlt, tut das weh", räumt Austria-Wien-Vorstand Markus Kraetschmer ein. Und es gehe um mehr als nur die direkten Einnahmen. Denn Spieler, die sich in Europa präsentieren, können teurer verkauft werden, Sponsoren sind leichter zu gewinnen, wenn man international spielt. Auch sind interessante Spieler mit Perspektive eher bereit, zur Austria zu wechseln.

Rapid und Austria im Wirtschaftsvergleich.
Foto: APA

Bei aller sportlichen Rivalität stehen die beiden Vereine vor sehr ähnlichen wirtschaftlichen Herausforderungen. Der Fußball ist der Markenkern, aber nur die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und Ticketverkäufen würden nicht zum Überleben reichen. Daneben ist eine breite Palette an Dienstleistungen nötig, von Fanartikeln und Fanreisen bis zur Bewirtung und der Organisation von Events im eigenen Stadion.

Andere Betriebe bilden Lehrlinge aus, Austria und Rapid stecken jeweils gut zwei Millionen Euro pro Jahr in die Nachwuchsmannschaften. In beiden Vereinen gehen die Mitgliedsbeiträge an die Jugend. "Nachwuchsarbeit rechnet sich", sagt Kraetschmer. Denn Eigenbauspieler "haben die beste Marge", kommen also billiger als ein Zukauf. Wenn es gut geht, schaffen zwei Spieler eines Jahrgangs den Sprung in die Austria-Kampfmannschaft, einige wenige zu anderen Profimannschaften. Dazu kommen Transfererlöse, die noch Jahre nachwirken können, wenn Spieler aus der eigenen Jugendabteilung international weiterverkauft werden. Und schließlich gibt es noch Sponsoren, die ausschließlich die Jugend fördern wollen.

Ein einziger Transfer finanziert die Jugendarbeit

"Das ist eine Investition" so Peschek über die Jugendarbeit. Wenn Spieler transferiert werden können, rechne es sich. Ziel sei jedenfalls, Eigenbauspieler in die Kampfmannschaft zu bringen und erfolgreich Fußball zu spielen. Peschek geht nicht auf einzelne Spieler ein, aber der Rekordtransfer des Verteidigers Maximilian Wöber zu Ajax Amsterdam um kolportierte 7,5 Millionen Euro hat rechnerisch einige Jahre Jugendarbeit von Rapid finanziert.

Wobei Kraetschmer wie Peschek betonen, dass es auch um die Vorbereitung der Jugendlichen auf das Leben danach gehe, da nur wenige den Sprung in den Profi-Fußball schaffen. Darum gibt es Kooperationen mit Schulen, Sprachkurse und andere Förderungen. Der Klub leiste soziale Arbeit, schließlich arbeiten hier Menschen aus 37 Nationen, sagt Kraetschmer. Rapid verkauft "ein Lebensgefühl und eine Identität in einer Gesellschaft, in der Entwurzelung stattfindet", so Peschek. Damit gingen die Aufgaben weit über einen Wirtschaftsbetrieb hinaus.

Delikate Rechnung

Spieler und ihre Transfers sind für die wirtschaftlich Verantwortlichen ein ganz eigenes Kapitel. Andere Unternehmen schreiben Anlagen ab, die Vereine ihre Fußballer – genauer den Transferwert. Die Herausforderung ist aber: Der Wert eines Fußballers kann durch eine Verletzung plötzlich auf Null fallen, kann aber auch mit der Leistung steigen. Durch eine Vertragsverlängerung wird der Buchwert wieder hergestellt oder gar erhöht, mit Vertragsende sind die Spieler frei – in der Buchhaltung also "wertlos", spielerisch hingegen oft für den Verein unverändert wichtig, schildert Kraetschmer.

Das nötigt dem Verein, vor allem dem wirtschaftlichen Geschäftsführer, vor Vertragsende eine delikate Rechnung auf: Wie wichtig ist der Spieler in den letzten Monaten seines Vertrags noch, um einen Europacupplatz mit entsprechend hohen Einnahmen zu erreichen – oder ist er besser jetzt im Winter zu verkaufen, um wenigstens Transfererlöse zu haben? Vor dem Dilemma stand die Austria zuletzt im Zusammenhang mit Raphael Holzhauser, der im Sommer ablösefrei gehen kann – aber jetzt ein wichtiger Spieler ist, um das Ziel Europacup zu erreichen. Letztlich ist Holzhauser geblieben, auch weil keine Ablösen geboten wurden, die in dieser Rechnung attraktiv genug waren.

Stadion als Schlüssel

Ein Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg ist das eigene Stadion, sind sich Kraetschmer und Peschek einig. Rapid hat das Allianz-Stadion schon in Betrieb, die Austria wird ihre Generali-Arena im Sommer 2018 fertiggestellt haben. Es geht in den modernen Sportstätten um das "drumherum": Die Betreuung und Verpflegung der Fans und vor allem der Sponsoren, aber auch um die Organisation von Veranstaltungen für externe Interessenten.

Rapid hat da schon Vergleichszahlen: Mit der Bewirtung von Gästen ("Hospitality") werden im neuen Stadion fast fünf Mal so viele Einnahmen wie im Happel-Stadion lukriert und mehr als zehnmal so viele wie im alten Hanappi-Stadion, an dessen Stelle das Allianz-Stadion gebaut wurde. Über acht Millionen Euro hat Rapid unter dem Titel "Hospitality" in der Bilanz 2016/17 verbucht, 2.100 Menschen können bewirtet werden. Im Jahr davor, als das eigene Stadion noch nicht zur Verfügung stand, waren es nur 1,7 Millionen. Wobei Rapid bewusst auf die Eigenvermarktung setzt und das neue Stadion nicht nur an Spieltagen für Veranstaltungen offen steht.

Das Stadion der Austria befindet sich bereits in der letzten Phase des Umbaus.
Foto: FK Austria

Kraetschmer freut sich schon auf entsprechend höhere Einnahmen, sobald sein Stadion fertiggestellt ist. Immerhin können künftig 1.300 Menschen bewirtet werden, im alten Horr-Stadion waren es nur 700, im viel größeren Happel-Stadion auch nur bis zu 1.000. Gemeinsam mit Do & Co wird die Austria die Räume vermarkten, auch abseits der Spielzeiten, auch an internationale Gäste. Die Nähe zu Flughafen und Hauptbahnhof sind da zugkräftige Argumente. "Wir bieten eine 365-Tage-Nutzung des Stadions an", sagt auch Kraetschmer.

Rapid hat zuletzt fast 42 Millionen Euro Umsatz gemacht, die Austria 31 Millionen, wobei mit dem Stadion in der kommenden Saison ein weiterer Schub zu erwarten ist. Der aktuelle Tabellenführer Sturm Graz verfügt nur über 17 Millionen Euro, der langjährige Liga-Dominator Salzburg hingegen über 100 Millionen.

Geld schießt Tore

Schießt das Geld die Tore? Dazu Kraetschmer: "Langfristig ja, das sieht man ja auch daran, dass nur mehr vier oder fünf Mannschaften sich die Champions League untereinander ausmachen". Kurzfristig aber sei das nicht so klar, wie man am aktuellen ersten Tabellenrang von Sturm Graz sieht – die Austria liegt in der Winterpause auf Rang sechs. Auch Peschek verweist nüchtern darauf, dass seit dem Einstieg von DietrichMateschitz Red Bull Salzburg die Meisterschaft nie schlechter als am zweiten Rang abgeschlossen hat. Bei Salzburg lägen die Personalkosten bei 48 Millionen Euro – bei Rapid bei 19 Millionen, davon drei Viertel für den Sportbereich.

Auch als Arbeitgeber sind die beiden Vereine ein Faktor: Rapid hat rund 150 Mitarbeiter, davon 85 im Sportbereich – also die Profisportler und die Betreuer aller Mannschaften. An Tagen mit Heimspielen werden kurzfristig sogar 1.000 Arbeitsplätze geschaffen, streicht Peschek hervor. Die Austria hat 130 bis 140 Leute beschäftigt, davon sind 70 mit dem Profisport beschäftigt, weitere 50 mit Akademie und Nachwuchs.

Höchstens 24,9 Prozent für externe Investoren

Um zu Investitionen zu kommen, sind externe Investoren für beide Vereine grundsätzlich eine Möglichkeit, aber kein unmittelbares Ziel. Und keinesfalls dürfte ein Investor eine Mehrheit bekommen, da sich beide Unternehmen als Publikumsvereine verstehen. Bei der Austria ist klar definiert, ein einzelner Investor dürfte maximal mit 12,5 Prozent einsteigen, alle externen Investoren zusammen bekommen höchstens 24,9 Prozent, so Kraetschmer. Aber obwohl diese Hürden klar definiert sind, gibt es keine Gespräche und keine aktive Suche nach Geldgebern. Von chinesischen Investoren habe es Nachfragen gegeben, aber die wollten eine Mehrheit. Angesichts der Einschränkungen "waren sie schnell wieder weg".

Auch Rapid setzt da derzeit keine Schritte. Sollte ein externer Investor kommen, müssten die Mitglieder in der Hauptversammlung den Einstieg beschließen. Aber Wachstum bei den Mitgliederzahlen, bei Ticketverkäufen und aus der Stadionbewirtschaftung sind andere gute Möglichkeiten, Rapid weiter zu entwickeln, sagt Peschek. Und überhaupt seien die Stärke Rapids die Mitglieder – Peschek ist stolz auf durchschnittlich 20.000 Zuschauer bei Heimspielen. 43 Prozent aller Zuschauer in der Bundesliga hätten Spiele mit Rapid-Beteiligung gesehen, betont er. Das seien die wirklichen Maßstäbe für ihn.

Clash of the Classes: Eine Außensicht auf das Wiener Derby.
Copa90

Rapids Dominanz bei den Zuschauerzahlen spiegelt sich auch in der Bilanz wieder. 15.500 Mitglieder zählt der Verein, sie haben im Vorjahr 1,5 Millionen Euro zum Budget beigetragen. Demgegenüber hat die Austria nur 2.500 Mitglieder, die zuletzt 210.000 Euro einzahlten. Im Gegenzug hat die Austria bei den Sponsorenbeiträgen mit zwölf Millionen die Nase vorn, bei Rapid flossen in der vorigen Saison knapp zehn Millionen.

Aber so sehr Kraetschmer und Peschek auch gerne über ihre Zahlen reden, letztlich ist es für sie nicht irgendein Unternehmen. "Es ist halt auch ein Bubentraum, wenn du bei deinem Herzensverein tätig sein darfst", so Peschek. Und Kraetschmer: "Ich bin froh, dass ich bei meinem Herzensverein so eine Aufgabe ausüben darf. Wir versuchen nach wirtschaftlichen Prinzipien zu arbeiten, aber diese Emotionalität ist es, was uns von anderen Branchen unterscheidet". Wegen dieser Emotionalität könne er sich auch nicht vorstellen, für einen anderen Verein in Österreich zu arbeiten. International einen Verein zu führen würde er sich zwar zutrauen und sei auch nicht grundlegend anders, nur "eine Dimension größer" – aber das "Herzensanliegen" würde wegfallen. (APA, 30.1.2018)