Für diesen Mann unternahm Karl Lagerfeld eine Radikaldiät. Jetzt übernimmt Hedi Slimane jene Marke, die modische Frauen zu ihrem Liebkind erkoren haben. Das kann Wickel geben.

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Prominente Designerabgänge: Phoebe Philo (links) machte bei Céline den Platz für Hedi Slimane frei. Die Nachfolge von Kim Jones (Louis Vuitton, Mitte) und Christopher Bailey (Burberry, rechts hinten) ist noch nicht geklärt.

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Weite Silhouetten: So sah die Frühjahrskollektion 2018 bei Céline aus. Sie wurde noch von Phoebe Philo verantwortet.

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Die Kollektion von Saint Laurent (hier Herbst/Winter 2015/16) unter Hedi Slimane. Ob er den Céline-Kundinnen nun auch knappe Kleidchen verordnet?


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Ausgerechnet Hedi Slimane! Die Nachricht, dass der Designer beim französischen Modehaus Céline das Zepter übernimmt, schlug in der Modebranche ein wie eine Bombe. Ausgerechnet bei dem Label hatte Designerin Phoebe Philo mit klobigen Pumps, dreiviertellangen Silhouetten und weiten Mänteln eine erwachsene Galeristinnen-Eleganz etabliert. Ihr folgt jetzt der König des blankgezogenen Rock-Chics. Ob er den Céline-Kundinnen nun ab Herbst knappe Sexyness verordnen wird?

Die Handschrift der beiden Designer könnte nicht unterschiedlicher sein. Doch in Zeiten fiebrig vollzogener Designerwechsel liest sich die Entscheidung des französischen Konzerns LVMH als strategischer Schachzug: Der Luxuskonzern hat Großes vor. Philo mag die Umsatzzahlen des Modehauses mithilfe der Handtaschenmodelle "Trapeze" und "Trio" in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht haben; auch mag Philo Stilgeschichte geschrieben haben – kaum ein Label hat es in den letzten Jahren geschafft, mit fellausgelegten Schlapfen und Kampagnen (etwa mit der damals über achtzigjährigen Joan Didion) die Herzen so vieler Frauen zu erobern. Doch die bislang mittelgroße Marke aus dem Portfolio der Franzosen soll nun aufgeblasen werden. LVMH-Chef Bernard Arnault träumt von einem neuen Mega-Brand, einer Milliardenmarke à la Dior.

Klotzen statt Kleckern

Für ein solches Unterfangen scheint einer wie Hedi Slimane wie gemacht. Ein Slimane klotzt, wo andere kleckern. Der Mann, der nie eine Modeschule besucht hat, vermittelte in der Vergangenheit Coolness, Körperbilder, ein Lebensgefühl. Damit war er erfolgreich: In den Nullerjahren brachte Slimane mit seinen schmalen Dior-Anzügen Karl Lagerfeld (damals noch dick und mit Fächer unterwegs) dazu, eine Radikaldiät zu beginnen, er machte die hagere Silhouette unter Männern populär. Innerhalb weniger Jahre vervielfachte Slimane später bei Yves Saint Laurent mit Lederjacken, Smokey Eyes und schmalen Silhouetten die Umsätze: Die Journalisten nörgelten über den wenig innovativen Rock-'n'-Roll-Chic, die Kunden aber kauften. Und wurden immer jünger: Slimane lukrierte eine neue, junge Fanbase. 2016 dann der Bruch, Slimane musste vor Auslauf seines Vertrags gehen. Bei Céline soll er nun neben der Damenmode und den Lederaccessoires nicht nur eine Herren- sowie eine Couture-Kollektion installieren, auch ein Parfüm soll herauskommen.

Aber ob das so einfach sein wird? So überdreht wie heute war der Luxusmarkt noch nie, Fluktuation und Fallhöhe von Designern auch nicht. Während sie im einen Moment als Erlöserfiguren gehandelt werden, folgt im nächsten Atemzug die Absetzung. Die Anforderungen sind enorm: Gefragt ist der Imagemacher, der Superdesigner, der Kollektionen im Dauerlauf entwirft und Marketingkampagnen, Celebrity-Kooperationen, Handtaschen und Parfums mitdenkt. Kering machte so das skurrile Universum des einst unbekannten Designers Alessandro Michele bei Gucci zur Cashcow – inklusive It-Bags, Wohnaccessoires und Parfumneuheit.

Keine Zeit für große Würfe

Viel Zeit bleibt für solche Strategien meist nicht: Die Verträge der Kreativdirektoren laufen oft nach drei bis vier Jahren aus. Oder sie werden vorzeitig beendet. Beim Modehaus Lanvin ist nach dem Abgang von Alber Elbaz im Jahr 2016 bereits der zweite Nachfolger am Zug. Aktuelle Umbrüche: Kim Jones, der in den letzten sieben Jahren das Männersegment des Luxusmodelabels Louis Vuitton mit Streetwear zusammenführte und zuletzt mit Supreme kollaborierte, verließ das Unternehmen im Jänner. Es wird gemunkelt, dass er den Job des Kreativchefs bei Burberry (hier macht Christopher Bailey Platz) übernehmen könnte.

Die vielen eilfertigen Designerwechsel bedeuten einige Risiken für die Konzerne. Erstens: Ein neuer Designer und sein neues Team verschlingen Kosten. Raf Simons soll bei Calvin Klein rund 20 Millionen Dollar im Jahr verdienen, Hedi Slimane kassierte nach seinem vorzeitigen Abgang bei Saint Laurent eine Abfertigung von 13 Millionen. Zuvor war dem Designer ein Büro in Los Angeles eingerichtet und der Name des Unternehmens von Yves Saint Laurent auf Saint Laurent verkürzt worden.

Zweitens: Um die neue Ästhetik eines Designers zu etablieren, braucht es Zeit. Die Umgestaltung des Shop-Netzwerks kann mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Bei Saint Laurent soll es rund eineinhalb Jahre gedauert haben, bis sich Hedi Slimanes Engagement in den Umsätzen bemerkbar machte.

Und drittens: Der Endkonsument darf nicht allzu sehr vor den Kopf gestoßen werden. Wie bei Céline mit den ebenso anspruchsvollen wie treuen Kundinnen umgegangen werden wird, wird sich im September zeigen. Dann steigt Hedi Slimanes erste Show. Die Hamsterkäufe haben schon begonnen. (Anne Feldkamp, RONDO, 2.2.2018)


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