Das Ecklokal galt bisher als Schmuddelkind des Hotels und hat nun eine Totalrenovierung und Erweiterung erfahren.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Beiried mit knusprigem Topfen (flaumige, frittierte Teigbemmerln) gerät tadellos weich.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Der Andrang ist wie erwartet hoch, die Schlange reicht mitunter bis auf die Straße. Die Touristen nehmen es mit Gleichmut – beim zweiten Touri-Hotspot des legendären Hauses, dem Café Sacher, ist es seit Jahrzehnten nicht anders. Im Unterschied zu diesem bietet das Eck seit der Wiedereröffnung vor drei Wochen aber nicht nur die extralangen Würstel des Hauses und den Kuchen mit dem weltberühmt panzerfesten Zuckerguss auf staubigem Innenleben: Im Parterre gibt es einen Souvenirshop mit Sacher-Teddybären, -Quietsch-enten und -Torte, im Mezzanin, wo ein schmales und niedriges, schlauchartiges Lokal etabliert wurde, kann man nun auch speisen.

Die eigentümlich zusammengestanzte Anmutung des Speiseraums erinnert ein wenig an den Halbstock in "Being John Malkovich". Sie wird durch einen großen Kristallluster akzentuiert, der in Hüfthöhe hängt und das boudoireske Interieur in gleißendes Licht taucht. Schade, ansonsten ist das ausgesucht hinüber wirkende Ambiente – gestaltet von BWM Architekten – mit in purpurrotes Velours geschlagenen Wänden und Bänken, Kaffeehaustischchen in recht wertiger Marmoranmutung und allerhand Habsburgern in Goldrahmen nämlich beinahe stimmungsvoll. Zumindest insofern, als das Sacher zu Monarchiezeiten von Offizieren, Erzherzögen und anderen Bedürftigen routinemäßig als eine Art Stundenhotel genutzt worden sein soll.

Schnitzel, löschblattdick

Die Preise passen zum Ambiente. Wer ein Glas Weißwein bestellt, bekommt Muskateller um duftige 9,30 Euro für das 0,1-Liter-Glas vorgesetzt. Damit scheinen die hausinternen Speisekartenschreiber ein klein wenig übers Ziel hinauszuschießen: In der echt noblen Blauen Bar des Hauses kommt man deutlich glimpflicher davon. Im Vergleich zu den Weinpreisen wirken Kürbissuppe (extrem salzig) um zwölf oder Schnitzel – löschblattdick geklopft und mit Salzkristallen beschneit – um 26 Euro fast schon kulant kalkuliert. Mit mehr als schwungvoller Hand wird auch Kalbsgulasch versalzen, das im Verbund mit einem Liliput-Schnitzel und zwei Fingerbreit Tafelspitz als "Wiener Schmankerl" auf einer Etagère aufgetragen wird.

Dann wieder scheint die Küche sich nicht entscheiden zu können, ob sie dem Salzfass oder doch der Zuckerdose den Vorzug geben soll: Tartare vom Damhirsch etwa, zu gerontophiler Fleischcreme püriert, wird mit so viel Marmelade abgemischt, dass ein spätrömisch klebriges Geschmacksbild entsteht – immerhin wirkt die dazu gereichte "süße Zimthippe" dann fast schon stimmig. Beim grünen Salat hingegen kann nur ein Unfall passiert sein – die Marinade ist süß wie Sirup, als ob auf die angezeigte Verdünnung eines Konzentrats vergessen worden wäre.

Kalt, kälter, Apfelstrudel

Die Gäste kümmert das wenig, sie müssen in der Hauptsache Torte vertilgen. Apfel- und Topfenstrudel gibt es auch, sie werden in der Karte als "hausgemacht" deklariert. Das allein sollte in einem Haus dieses Renommees stutzig machen. So prägen sich die beiden Desserts dann auch hauptsächlich dadurch ein, dass sie eisgekühlt serviert werden.

Dabei muss die Küche schon auch etwas können. Seesaibling wird auf der Hautseite mit sicherer Hand knusprig gebraten, dazu gibt es zartbitteres Kohlrabigemüse und Süßkartoffelpüree. Auch die Beiried mit knusprigem Topfen (flaumige, frittierte Teigbemmerln, siehe Bild) gerät tadellos weich und entspricht damit wohl der Erwartungshaltung des Sacher-Gastes. (Severin Corti, RONDO, 2.2.2018)

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