Der Hunger nach Rendite ist mit Sparbuchzinsen derzeit nicht zu stillen. Davon profitiert der Markt für Zertifikate.

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Wien – Die anhaltende Zinsflaute in Europa beschert dem Zertifikatemarkt in Österreich Zuwächse. Die steigende Nachfrage erklärt Heike Arbter, Expertin der Raiffeisen Centrobank und Vorstand des Zertifikate-Forums Austria, mit der Mischung aus überschaubarem Risiko und guten Ertragschancen. Unterm Strich betrug per Jahresende das in diese Produktgruppe investierte Volumen hierzulande 12,7 Milliarden Euro, das sind um 1,1 Milliarden oder fast zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Freilich bleiben Österreichs Privatinvestoren auch bei strukturierten Anlageprodukten ihrem risikoscheuen Vorgehen treu: "Große Zuwachsraten hat es bei Teilschutzprodukten gegeben", sagt Arbter über die Vorjahrestrends. Diese sind an den Aktienmarkt gekoppelt, wobei der gute Lauf der Wiener Börse ihr zufolge "natürlich hilfreich" war, und das eingesetzte Kapital partiell gegen Kursverluste abgesichert ist.

Besonders gefragt waren Aktienanleihen und Bonuszertifikate mit Zuwächsen von mehr als 30 Prozent. Mit einem Anteil von gut 60 Prozent blieben aber Zertifikate mit vollständigem Kapitalschutz die beliebtesten Produkte. "Österreichische Privatanleger – die Zahlen sind in Deutschland und der Schweiz sehr ähnlich – investieren in sehr konservative Produkte", fasst Arbter zusammen.

Ein Jahr Ausnahmezustand

Für sie war das Vorjahr wegen der Vorarbeiten für die seit Jänner anzuwendende EU-Finanzmarktrichtlinie Mifid II ein durchgängiger "Ausnahmezustand". "Das ist alles, was ich 2017 getan habe, und es ist noch nicht zu Ende", sagt Arbter. Man werde sich noch Monate damit beschäftigen. Ihrer Ansicht nach schießt Mifid II in manchen Bereichen übers Ziel hinaus bzw. droht es sogar zu verfehlen.

"Privatanleger dürfen nicht mit ein paar Produkten abgespeist werden", befürchtet Arbter eine Bevormundung der Anleger durch weniger Angebot. Kritik übt sie auch an der erhöhten Kostentransparenz. Kunden würden mehr darauf schauen, statt an das bestmögliche Produkt zu kommen. "Wir sehen großen Nachschärfungsbedarf", betont sie in einem Vortrag in der Wiener Börse.

Ein Steilpass für den Gastgeber, Börsenchef Christoph Boschan, aus dessen Sicht Mifid II "etwas aus dem Ruder gelaufen" ist: "Die Abwägung von Aufwand und Ertrag steht in einem großen Missverhältnis." Denn die neuen Regelungen, die trotz gigantischen Aufwands selbstverständlich umgesetzt würden, brächten nur marginale Marktfortschritte, kritisiert Boschan und fügt hinzu: "Ich kann nicht anders, als zu fragen: Warum?" (Alexander Hahn, 1.2.2018)