Izmir – Der Präsident der türkischen Sektion von Amnesty International ist unmittelbar nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis erneut festgenommen worden. Wie Amnesty-Vertreter mitteilten, wurde Taner Kiliç in der Nacht zum Donnerstag wieder in Polizeigewahrsam genommen.

Die türkischen Behörden erließen demnach einen neuen Haftbefehl gegen Kiliç, dem "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" vorgeworfen wird. Er wird den Angaben zufolge in einer Polizeiwache in Izmir im Westen der Türkei festgehalten.

Kiliç war im Juni 2017 unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen festgenommen worden und hatte seitdem in Untersuchungshaft gesessen. Am Mittwoch hatte ein Gericht in Istanbul entschieden, Kiliç unter Auflagen auf freien Fuß zu setzen.

Auf Polizeiwache gebracht

Mehrere Amnesty-Kollegen waren daraufhin nach Izmir geflogen und zum Gefängnis gefahren, um zusammen mit Kiliç' Familie seine Freilassung mitzuerleben, wie Amnestys Europadirektorin Gauri van Gulik im Kurzbotschaftendienst Twitter erklärte. Stattdessen hätten die Amnesty-Vertreter dann beobachtet, dass Kiliç gegen Mitternacht vom Gefängnis direkt in eine nahegelegene Polizeiwache gebracht worden sei.

Wie Gulik unter Berufung auf Kiliç' Anwälte erklärte, hatte die Staatsanwaltschaft die vom Gericht angeordnete Freilassung angefochten. Die Richter hätten den Antrag zwar abgewiesen, dann aber ein anderes Gericht über die Untersuchungshaft entscheiden lassen. Die Anwälte wurden den Angaben zufolge nicht über die Entscheidung informiert, die Polizei berief sich aber auf einen neuen Haftbefehl.

ByLock verwendet

Kiliç wird vorgeworfen, den verschlüsselten Kurzmitteilungsdienst ByLock verwendet zu haben, den Gülen-Anhänger zur Planung des Putschversuches von Juli 2016 benutzt haben sollen. Kiliç bestreitet dies. Seine Anwälte legten am Mittwoch ein drittes Gutachten vor, das zeigen soll, dass er die App nie auf seinem Smartphone gespeichert hatte. Auch Amnesty hat die Vorwürfe gegen Kiliç als "unbegründet" zurückgewiesen.

In dem Prozess gegen Kiliç sind noch zehn weitere Menschenrechtsaktivisten angeklagt, darunter der Deutsche Peter Steudtner, der Schwede Ali Gharavi und die türkische Amnesty-Vorsitzende Idil Eser. Alle bis auf Kiliç waren bei einer ersten Anhörung im Oktober freigelassen worden. Steudtner und Gharavi verließen daraufhin die Türkei, am Mittwoch waren sie nicht im Gerichtssaal.

Festnahme von 120 angeblichen Gülen-Anhängern angeordnet

Die türkischen Behörden haben die Festnahme von 120 Verdächtigen wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Gülen-Bewegung angeordnet. Darunter seien Mitarbeiter der türkischen Streitkräfte, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Die Staatsanwaltschaft im zentraltürkischen Konya leite die Ermittlungen.

Seit dem Putschversuch wurden mehr als 50.000 Menschen wegen angeblicher Gülen-Verbindungen inhaftiert. Die aktuelle Zahl der entlassenen Staatsbediensteten beträgt nach neuesten offiziellen Angaben rund 107.000. (APA, 1.2.2018)