Pyeongchang – Eine Woche vor den Winterspielen steht das Internationale Olympische Komitee (IOC) blamiert da. Der Internationale Sportgerichtshof (CAS) tilgte lebenslange Olympia-Sperren gegen 28 russische Athleten – aus Mangel an Beweisen. Ungelöst ist zudem das Problem manipulierbarer Dopingproben.

Ein sonniger Donnerstag neigte sich in Pyeongchang dem Ende zu, die ersten Athleten waren gerade ins olympische Dorf eingezogen, da erschütterte der Generalsekretär des CAS mit seinem Statement die Sportwelt: Der CAS hat alle Doping-Sanktionen gegen 28 russische Wintersportler aufgehoben. Elf weitere Sportler bleiben von den Spielen in Pyeongchang ausgeschlossen, ihre lebenslangen Sperren für Olympia sind aber ebenfalls ungültig. Was für eine Niederlage für das IOC.

Vor allem die Begründung war für das IOC, das die Urteile gefällt hatte, eine schwere Niederlage. Denn der CAS kippte die Sperren aus Mangel an Beweisen. Den Juristen erschien zu dürftig, was das IOC zusammengetragen hatten, bevor es insgesamt 43 russische Wintersportler von künftigen Olympischen Spielen ausgeschlossen hatte, weil die Athleten bei den Heim-Spielen in Sotschi 2014 von organisierten Manipulationen profitiert haben sollen.

Beschwerde gegen CAS-Urteil denkbar

Das IOC prüft nun Konsequenzen, einschließlich einer Beschwerde gegen das CAS-Urteil beim Schweizer Bundesgericht. Dort könnte das IOC aber allenfalls gegen formale Fehler vorgehen.

Damit musste das IOC binnen kurzer Zeit schon den zweiten Schlag hinnehmen. Im Laufe der Woche war bekannt geworden, dass die für die Dopingproben in Pyeongchang vorgesehenen Urin-Flaschen manipulierbar sind. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) empfiehlt nun den Einsatz eines älteren Modells. Ein solches verwendet beispielsweise auch immer noch die Nationale Anti-Doping Agentur Österreichs.

Die Rechtsstreitigkeiten um die Sperren zeigen das Chaos im Weltsport deutlich. So hatte das IOC zwar russische Bob- und Skeleton-Sportler für die Spiele gesperrt, an den Weltcup-Wettbewerben nahmen sie aber teil. Andreas Trautvetter, Vizepräsident des Weltverbandes, fühlt sich im Umgang mit den zuvor gesperrten Russen bestätigt: "Diese Entscheidung vom CAS habe ich erwartet, weil die europäische Rechtslage gilt. Da gilt die Unschuldsvermutung, bis man die Schuld nachgewiesen hat. Die Beweise waren von Beginn an nicht ausreichend."

Nach der Aufhebung der Sperren für 28 Athleten steht nun die Frage im Raum, ob weitere russische Athleten in Pyeongchang antreten dürfen. Das IOC betonte: "Die CAS-Entscheidung bedeutet nicht, dass Athleten aus der Gruppe der 28 zu den Spielen eingeladen werden." Wer nicht sanktioniert werde, bekomme "nicht automatisch" das Privileg einer Einladung verliehen.

Hintertürchen offen

Auf der vor einer Woche veröffentlichten Einladungsliste stehen 169 russische Wintersportler, die in Pyeongchang unter neutraler Flagge und ohne Hymne als "Olympischer Athlet aus Russland" (OAR) antreten müssen. "Russland in meinem Herzen", prangt groß auf den Trikots. Das Hintertürchen, durch das möglicherweise der eine oder andere Russe doch noch auf die Einladungsliste gelangen könnte, ist mit den Formulierungen des IOC weiter offen.

Der russische Sport drängt nach dem CAS-Urteil auf mehr Teilnehmer bei den am Freitag kommender Woche beginnenden Spielen. Sportminister Pawel Kolobkow sagte der Agentur Interfax, nun erwarteten die Sportler, dass das IOC reagiere und sie auch zu den Winterspielen in Südkorea zulasse. "Wir sind froh, dass die Gerechtigkeit endlich triumphiert hat", tönte Kolobkow. Die CAS-Entscheidung bestätige, dass die Athleten "sauber" seien.

Das besagt der Spruch des Sportgerichtshofs allerdings nicht. Der CAS betonte, dass die Athleten nicht für "unschuldig" erklärt worden seien, sondern dass die Beweislage seines Erachtens nicht ausreichend sei. Und: Nur die individuellen Fälle seien beurteilt worden, es sei nicht um die Frage gegangen, ob es ein organisiertes Dopingsystem in Russland gegeben habe. Das NOK Russlands war Anfang Dezember für die Winterspiele gesperrt worden.

Skeleton-Olympiasieger Alexander Tretjakow, Rodler Albert Demtschenko und Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow gehören zu den Athleten, deren Sperren der CAS nun aufgehoben hat. "Für Legkow beginnt damit buchstäblich ein zweites Leben, er dürfte jetzt der glücklichste Mensch auf Erden sein", sagte Legkows Trainer Markus Kramer der Agentur TASS. Die Athleten behalten ihre vor vier Jahren gewonnenen Medaillen. (APA, 1.2.2018)