Mit lockeren Worten und vielen Beispielen aus der Alltagswelt leitet Andreas Treichl, Chef der Erste Group, die Schüler durch die Welt des Geldes. Diese sei komplexer denn je. Wissen darüber daher wichtiger denn je.

Foto: Christian Fischer

Wien – "Was ist das Wichtigste im Leben? Geld? Liebe? Gesundheit?" Die Gesundheit – darauf einigen sich die meisten der 130 Schüler der BHAK Wien 10, die sich am Mittwochvormittag in der Schulbibliothek versammelt haben. Okay. "Was ist dann das Zweitwichtigste?", versucht es der Fragesteller. Freude? Friede? Familie? Geld? Na ja – dann wohl Geld, einigen sich die Schüler. Fügt man Geld und Gesundheit zusammen, kommt man auf jene finanzielle Gesundheit, um die es dem Fragesteller heute geht.

Und der ist in diesem Fall nicht irgendjemand – es ist Andreas Treichl, Chef der Erste Group, der in der Pernerstorfergasse 77 vor den Schülern steht." Die finanzielle Gesundheit ist wichtig", sagt Treichl. Denn "man kann nicht den jeden Tag von der Liebe leben. Ab und zu muss man auch was essen". Leises Gelächter.

Aber die finanzielle Gesundheit ist im ganzen Geld- und Wirtschaftssystem nur ein Teil. "Was wäre, wenn einem der Arzt nur etwas verschreibt, weil der daran etwas verdient, oder wenn ein Finanzdienstleister nur Produkte verkauft, die nur ihm und nicht dem Kunden helfen?" Was es als Bindeglied also auch braucht, ist das Vertrauen der Beteiligten.

Vom Wert des Geldes ...

Geld und Gesundheit hängen aber auch deswegen eng miteinander zusammen erklärt Treichl, "weil wir heute älter werden und die Menschen für eine viel längere Zeitspanne vorsorgen müssen als früher". Gehe man davon aus, dass von den heute jungen Menschen viele bis zu 100 Jahre alt werden, müsse man bedenken, dass nach der Schulzeit bis zu 80 Jahre finanziell geplant werden müssen. Und das in einer Welt, in der Geld keinen Wert mehr hat. Fragende Gesichter.

Warum hat Geld keinen Wert mehr? "Geld ausborgen kostet nichts mehr, und es zu haben, bringt nix mehr", fasst Treichl jene Misere zusammen, die das Nullzinsumfeld gebracht hat. Woher aber kommt Geld? "Aus dem Bankomat?", fragt Treichl. Die Schüler schmunzeln. "Ja", sagt der Bankchef zur Überraschung vieler. "Aber wird es dort auch geschaffen?" Natürlich nicht – da lacht der Bankchef selbst. Und schon ist Treichl mittendrin in der Entstehung des Geldwesens und in der Arbeit der Notenbanken und erklärt gestikulierend, wie Banken als Generator über die Kreditvergabe Geld schaffen.

130 Schüler konnten den Ausführungen von Erste-Chef Andreas Treichl live folgen. 49.000 waren in ganz Österreich via Live-Stream dabei.
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Denn je mehr Kredite vergeben werden, desto mehr Geld wird geschaffen. Doch die derzeitige ewige Geldschaffung der Notenbanken führe dazu, dass der Wert abnimmt. "Die Geldpolitik dient nicht mehr allen", sagt Treichl. Bedient würden derzeit verschuldete Staaten bzw. erhalten diese die Möglichkeit, sich billig zu verschulden – dem Sparer bringe das alles aber nichts. Und wenn die Bank für ihr Geld nix mehr bekomme, könne sie den Kunden auch nichts weitergeben. "Das ist traurig für die Kunden, aber nicht unbedingt schlecht", sagt Treichl. Denn wegen Schulden kollabierende Staaten wären für unsere finanzielle Gesundheit noch schlechter.

Das zeige auch, warum Finanzbildung so wichtig ist. Denn man müsse auch solche Prozesse verstehen, um bei der Finanzierung des Lebens Angebote richtig einschätzen zu können. Wer in Zeiten wie diesen auf Angebote setze, die Zinsen von sechs Prozent und mehr bieten, "muss wissen, dass dahinter Risiko steckt", sagt Treichl. Denn ohne Risiko gebe es derzeit keinen Ertrag. Daher warne er auch vor Bitcoin und Co. Das sollte nur kaufen, wer wirklich Ahnung davon hat. In der Blockchain sieht Treichl hingegen die Technologie, die die Welt noch mehr verändern könnte, als es das Internet getan hat.

"Wenn die Banken für den Motor der Wirtschaft so wichtig sind, warum vergeben sie dann nicht mehr Kredite?", stellt Treichl die nächste Frage. Das liege daran, dass die Banken seit der Finanzkrise stark reguliert seien, was die Kreditvergabe erschwere. Man dürfe kein Risiko mehr eingehen. Das eingangs erwähnte Vertrauen spiele eine immer kleinere Rolle, die Regulierung dafür eine immer größere. Das Ziel hinter der Regulierung – dass kein Steuerzahler mehr für eine Bankenrettung herhalten muss, sei ja in Ordnung.

... und Verlust des Vertrauens

Aber: "Stellen wir uns vor, die Regierung setzt sich zum Ziel, dass kein Mensch mehr auf den Autobahnen sterben darf. Was macht man dann? Die Leitplanken höher, die Höchstgeschwindigkeit drosseln." Helfe das nicht, würde wohl weiter und weiter an der Höchstgeschwindigkeit gedreht, "bis diese auf null ist". Der Regulierer juble dann, weil er sein Ziel erreicht hat. Übersehen werde aber, dass auch der gesamte Verkehr und damit ein Teil des Wirtschaftslebens stillgelegt ist. "Die Politik hat vergessen, dass Banken sich um die zweitwichtigste Sache im Leben kümmert", schließt Treichl den Vergleich zu den Banken. "Wenn man nichts mehr falsch machen darf, kann man auch nicht viel Gutes tun", so der Erste-Chef.

Die Politik fordert Treichl auch auf, sich mehr um den Kapitalmarkt zu kümmern. Hier gehörten Anreize gesetzt, damit sich die Unternehmen der am Kapitalmarkt geforderten Transparenz aussetzen. Würden mehr Firmen wie Red Bull an der Börse notieren, könnten sich mehr Leute am wirtschaftlichen Erfolg beteiligen.

Zustande kam Treichls Auftritt in der Schule auf Initiative der pädagogischen Fachabteilung für kaufmännische Schulen und Bildungsberatung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Treichl Motivation für Einsätze wie diese: "Die Schüler treffen heute auf eine völlig neue Finanzwelt und müssen viel mehr wissen als früher." Daher übernimmt er auch alle zwei Monate eine Tour durch den von der Erste Bank finanzierten Financial Life Park, der Jung und Alt die Zusammenhänge der Geld- und Finanzwelt näherbringen soll. (Bettina Pfluger, 3.2.2018)