O altdeutsche Burschenherrlichkeit, wohin bist du entschwunden! Kurz hat er sich um Ablenkung bemüht, aber nicht einmal als Wanzen bekämpfender Kammerjäger konnte Strache die Säuberungswelle verhindern, die nun über das deutsche Eichenholz österreichischer Fechsung hinwegbraust und dabei auch gleich in der SPÖ einen kollateralen Flurschaden angerichtet hat. Wäre man in der FPÖ dem Misstrauen gegen Menschen mit Migrationshintergrund prinzipientreu geblieben, niemals wäre ein Udo Landbauer Spitzenkandidat geworden, und noch heute könnte das Liedgut seiner Germania, ungeschwärzt abrufbereit, arischen Kehlen zur Erquickung vorbehalten bleiben. Statt die Burschenschafter in der Regierung zu nötigen, über den eigenen Schatten zu springen und Historiker zwecks Aufklärung über sich selber anzufordern. Jetzt von den Wiener Neustädter Germanen als "Idioten aus irgendeinem Narrensaum" zu sprechen mag ein schönes Beispiel ostmärkischer Nibelungentreue sein, geht aber am Problem mehr als arschknapp vorbei.

Denn wer gibt diesem Land die Garantie, dass nicht Folkloristen aus ebendiesem burschenschaftlichen Narrensaum seit kurzem in der Regierung beziehungsweise in wichtigen Posten in Ministerien sitzen? Wären ihre Beteuerungen halbwegs glaubhaft, mit Rechtsextremismus und Antisemitismus nichts am Deckel zu haben, dann könnte es nicht immer wieder zu einschlägigen Skandalen kommen, deren Aufarbeitung in Verharmlosung besteht. Es geht nicht darum, was nun aufgebrochen ist, auf ein paar Liedzeilen zu reduzieren und auch nicht auf eine Burschenschaft, weil zufällig in ihren Räumen ein Liederbuch auflag. Es geht darum, dass die darin gepflegte Geisteshaltung von den Spitzenfunktionären der FPÖ unter Berufung auf die Meinungsfreiheit und das Jahr 1848 so lange wie möglich hinhaltend verteidigt statt ernsthaft aus den Reihen der Partei vertrieben wurde – und wird. Man wird ja sehen.

Die Germania aufzulösen und die "Aula" weiter hetzen zu lassen bliebe ein Defizit an Glaubwürdigkeit, das durch keine Historikerkommission zu beheben sein wird. Es hätte genügt, auf das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes zu hören, statt dieses als kommunistische Einrichtung zu diffamieren. Dann hätte Strache seinen Gesinnungsfreunden am Akademikerball nicht die Stimmung verderben müssen. Noch dazu, wo die FPÖ mit den Burschenschaften doch gar nichts zu tun hat.

Der zweifelhafte Eifer, mit dem der Bundeskanzler plötzlich die Auflösung der Germania betreibt, nachdem er sich zunächst auf das Strafrecht zurückgezogen hatte, soll über das Problem mit seinem Koalitionspartner hinwegtäuschen. Für den haftet er mit, wie ihm auch Ex-Landeshauptmann Pröll klargemacht hat. Er hätte es wissen können, als er diese Regierung bildete. Leicht wird er sich von diesem braunen Schatten nicht befreien können. Zu tief sitzt die völkische Blutideologie im Wesen der Burschenschaften, als dass sich ihr Antisemitismus von einem Tag auf den anderen verflüchtigte. Zu sehr ist Straches FPÖ ein Burschenschafterverein. Und zu sehr ist Kurz in dessen Geiselhaft, wenn er weiter regieren will. (Günter Traxler, 1.2.2018)