Lenny Hampel fühlt sich auf Sand wohl. Zum Tennis brachten ihn seine Eltern und seine Hyperaktivität.

Foto: Florian Heer/ Tennis TourTalk

Lenny Hampel in Aktion.

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Wien – Wien-Hütteldorf ist nicht Wimbledon. Um den Bahnhof ist es zur Winterzeit schon früh schummrig. Rechts liegt Rapids Allianz-Stadion, links führt der Weg an Graffitis vorbei durch einen spärlich beleuchteten Park. Überraschend ist da das Bild nach dem Betreten des Tennisclubs Colony. Die Gartenmöbel sind schick, die Glaswand zwischen Restaurant und Tennisplätzen blitzblank geputzt. An zwei Tischen gönnen sich Mittvierziger gekühlten Veltliner und Prosecco. Die Tennistaschen stehen nebenan. Ein Mann fragt den Kellner höflich, ob er auf dem Flatscreen den Sender wechseln könnte. Tennis statt "How I met your Mother": "Kein Problem". Verrauchtes Kantinenfeeling gibt es im Club Colony nicht, hier ist mehr Wimbledon als Wien-Hütteldorf.

Lenny Hampel passt da nicht unmittelbar in die bürgerliche Tennisoase. Der 21-Jährige hat den Kapuzenpulli weit über den Kopf gezogen, die Locken schwindeln sich vereinzelt ins Gesicht. Im Club Colony schindet er Kondition. Schweißperlen zeigen, dass das Pumpen anstrengend war. Nachschwitzen nennt man das. Die körperlichen Voraussetzungen passen: 188 Zentimeter sind eine Paradekörpergröße im Tennis, beide Oberarme sind stark austrainiert. Tennis-Ärmel könnte man das nennen. "Mir macht es einfach wahnsinnig Spaß, ich könnte den ganzen Tag auf dem Platz stehen." Der Wiener lächelt und wischt sich die lästigen Schweißperlen von der Stirn.

Hyperaktiv

Dass zum Spaß Ernst gekommen ist, hat sich Hampel selbst zuzuschreiben. Der Weg zum Profi war unkonventionell, professionellen Sportbackground gibt es keinen: "Ich war als Kind extrem hyperaktiv, deshalb steckten mich meine Eltern in den Tennisverein. Die Trainerin sagte, ich hätte Talent." Tennis wurde von der Beschäftigungstherapie zur Leidenschaft, schon mit sieben Jahren wollte er "nichts anderes machen als Tennis spielen". Derzeit besucht er eine Abendschule in Wien. Der Sport bleibt im Vordergrund, Plan B, bei einer schweren Verletzung etwa, wäre ein Psychologie-Studium.

Spielerisch beschreibt sich Hampel als "sehr aggressiver Grundlinienspieler". Auf Sand fühlt er sich am wohlsten, die Rückhand ist einhändig, die Vorhand druckvoll. Der Rechtshänder ist die Nummer 366 der Weltrangliste, in Österreich damit die Nummer sieben. 2017 war für Hampel ein Tennisjahr auf der Achterbahn. In Heraklion gewann er sein erstes Future-Turnier, zwei weitere folgten. Im Juni wurde Hampel Staatsmeister. Vor dem Turnier wurde er als Favorit gehandelt, im Finale bezwang er Nachwuchshoffnung Jurij Rodionow in zwei Sätzen.

Zwei Medaillen-Seiten hatte aber die Entscheidung, die Challenger-Tour in Südamerika zu spielen: Er nahm keinen einzigen ATP-Punkt mit. Dafür aber Erfahrungen: "Die Enttäuschung war im ersten Moment groß. Im Endeffekt zählt aber die Erfahrung. Ich konnte sehen, dass nicht viel fehlt."

Das Zauberwort lautet Konstanz. "Es bringt nichts, wenn fünf Servicegames perfekt sind und dann bei 5:5 alles irgendwohin geht", sagt Hampel. Trainiert wird bei Martin Gattringer und Michael Oberleitner, das Umfeld sei "perfekt". Neben Talent und Training – Hampel schuftet jeden Tag mindesten fünf Stunden – braucht der Tennisprofi ein volles Konto: "Hotels, Flüge, Trainer und Equipment sind zu bezahlen. Es ist eng. Ich kenne Spieler, die in drei oder vier Ländern Bundesliga spielen", sagt Hampel. Seine Eltern unterstützen ihn. Vor ein paar Jahren wurde er vom ÖTV gefördert, "Wilson" sponsert Euqipment. Hampels Mutter ist in Kamerun geboren und arbeitet als Beauty-Consultant, der Vater ist pensionierter Manager.

Wetten und David Ferrer

Mit Vorurteilen und Diskriminierung wurde er nur selten konfrontiert: "Ein Spieler hat einmal etwas gesagt, aber der ist einfach ein Idiot. Sonst ist die Szene freundlich." Schwieriger wird es virtuell: "Wenn man einmal in den Top 500 ist, wird auf dich gewettet. Und dann wird es schnell ungemütlich." Über soziale Medien bekomme man den Frust zu spüren. Der Tennis-Hype in Österreich nach den Erfolgen von Aushängeschild Dominic Thiem ist für junge Spieler Fluch und Segen zugleich.

Steigt das Interesse, hebt das den Druck. Hampel nimmt ihn sich selbst: "Ich werde oft auf Dominic Thiem angesprochen und gefragt, wie es bei mir läuft. Karrieren verlaufen aber unterschiedlich." Das mittelfristige Ziel sind die Top 100, wann der Knopf aufgeht, sei nicht so wichtig. Als Vorbild dient nicht unbedingt der schillernste Stern am Tennishimmel: "Alle wollen wie Federer spielen, aber auf dem Platz möchte ich so auftreten wie David Ferrer."

Im Club Colony werden die Plätze abgezogen und die Veltlinerflaschen wärmer. Das erste Viertel des Tennisjahres ist für junge Spieler hart, die wenigen Turniere stark besetzt. Hampel startete sein Jahr nicht nach Wunsch. Die Futures in der Türkei waren trotz guter Setzung schnell vorbei. In der Qualifikation zum Challenger in Budapest, ein flotter Hardcourt, verlor er in der zweiten Runde gegen den Deutschen Jeremy Jahn. Jetzt steht Regeneration und die Vorfreude auf den Sand am Programm. Die Qualifikation für das 250er Turnier in Kitzbühel im Juli steht schon rot im Terminkalender. Auch in Südamerika soll es einen neuen Anlauf geben – dieses Mal mit Punkten im Gepäck. (Andreas Hagenauer, 7.2.218)

Österreicher in den Top 500 der Tennis-Weltrangliste:

6. Dominic Thiem (24 Jahre alt)
98. Gerald Melzer (27)
144. Sebastian Ofner (21)
200. Dennis Novak (24)
230. Jürgen Melzer (36)
326. Michael Linzer (28)
366. Lenny Hampel (21)
390. Lucas Miedler (21)
408. Maximilian Neuchrist (26)
420. Andreas Haider-Maurer (30)
425. David Pichler (21)
482. Pascal Brunner (28)
496. Thomas Statzberger (25)
500. Jurij Rodionov (18)