Das Kaffeehaus ins 21. Jahrhundert holen und etwas entstauben wollte man durch die Zwischennutzung des ehemaligen Griensteidl in der Innenstadt. Was vom Schriftzug an der Fassade blieb, war ab August letzten Jahres Programm: Rien.

Foto: Ian Ehm/Friendship.is

Das Team hinter dem Rien – sitzend von links: Lucas Steindorfer, Simon Kotvojs, Viola Bachmayr-Heyda, Hubert Peter, Philipp Haufler. Stehend von links: Matthias Felsner, Martin Fetz.

Foto: Ian Ehm/Friendship.is

Wie abgemacht: Nach 162 Tagen Rien ist Schluss – die motivierte Truppe um Martin Fetz, Matthias Felsner und Philipp Haufler von friendship.is (unter anderem verantwortlich für das FAQ-Festival im Bregenzerwald oder die Feldküche), sowie Hubert Peter sagt am Samstag mit einer letzten Party dem ehemaligen Café Griensteidl Adieu. Ende Sommer zog am Michaelerplatz eine von aktuell mehreren gastronomischen Zwischennutzungen in Wien ein. Wie es mit dem Kaffeehaus nun weitergeht, ist noch nicht klar, wahrscheinlich wird es abermals eine Zwischennutzung geben. Konkretes hat der Hausbesitzer, die Schweighofer-Gruppe, aber noch nicht bekanntgegeben. Auf den Erfahrungen des Rien können die Besitzer aber aufbauen: In einer Art Abschlussbericht berichten die Zwischennutzer über Kundenfrequenz et cetera.

Verschiedene Welten auf 200 Quadratmetern

Fetz und Haufler sind jedenfalls zufrieden. Dass ihre "Liebhaber-Gastro" nicht den großen ökonomischen Erfolg bringen würde, vor allem nicht an diesem Platz und in dieser Größe, war ihnen von Anfang an klar. "Das war ja auch nicht unsere Intention hinter diesem Projekt", sagte Fetz. Vielmehr habe man zeigen wollen, wie ein Kaffeehaus im 21. Jahrhundert funktionieren könnte, "den Wienern – vor allem den jüngeren – wieder einen Grund geben, in den ersten Bezirk zu kommen". Wie das aussah: Touristen neben Politikern, Fiakerfahrern, ehemaligen Stammgästen und Studenten – Jam-Sessions oder Lesungen in einem Teil des Cafés, ein mehrgängiges Dinner in einem anderen. Für Fetz waren das oft die schönsten Momente der letzten fünf Monate: "Das waren oft völlig verschiedene Welten auf 200 Quadratmetern."

Was die Mitarbeiter und Macher zum Abschied des Rien sagen.

Diese Ambition wurde auch in der Küche und an der Bar verfolgt – regionale und hochwertige Produkte, neue Ideen und unkonventionelle Kombis statt Wiener Schnitzel mit Pommes. Im November wurde dann noch der Karl-Kraus-Saal an der Schauflergassenflanke zum Pop-up-Store für Design umfunktioniert. Viele aus dem Team werden sich nun mit eigenen Projekten selbstständig machen, konnten das Rien als Sprungbrett nützen – zum Beispiel Patissière Viola Bachmayr-Heyda und Barchef Hubert Peter.

Wenn "irgendwelche Hipster" einziehen

Am Anfang habe es einige Leute gegeben, die eher skeptisch beobachtet hätten, wer da nun im Palais Herberstein werkelt, "ganz ohne Anzug, sondern mit T-Shirt und Bart. Irgendwelche Hipster halt", erklärt Fetz die Reaktionen. Aber auch der ein oder andere Fiakerfahrer sei mit der Zeit gerne auf eine Melange gekommen. Und jenen Griensteidl-Gästen, die man mit dem neuen Konzept gar nicht abholen konnte, sei man mit einem entspannten Lächeln begegnet.

Generell habe die Zusammenarbeit im 38-köpfigen Team die Erfahrung zu einer besonderen gemacht, sagen Fetz und Haufler. "Das klingt fast kitschig, aber hier hat wirklich eine Art Familystyle geherrscht, den viele unserer Mitarbeiter so in der Gastronomie noch nicht erlebt haben", sagte Fetz. Am Ruhetag Montag funktionierten die Mitarbeiter das Rien beispielsweise kurzerhand zum Yogastudio um und trafen sich zum gemeinsamen Sport.

Kein leichter Abschied

Es würde zwar ein Schreibtisch voller Arbeit auf ihn warten, der Abschied falle Fetz aber dennoch nicht leicht. "An diesem wunderschönen Eck der Stadt zu arbeiten ist wirklich der Wahnsinn." Allerdings gebe es just an diesem Platz viel ungenutztes Potenzial: "Es ist kein Verweilort, sondern ein Durchzugsort, was auch am Verkehr hier liegt. Ich würde mir wünschen, dass mehr Raum für Öffentlichkeit übriggelassen wird. Nicht nur hier." (lhag, 2.2.2018)