Ein Bundesbruder in voller Wichs. Welcher Couleur wird seine Weltanschauung sein, mögen sich manche fragen.

Illustration: Felix Grütsch

Grafik: Felix Grütsch

Ich hatte mir vorgenommen, die Wörter Faschismus, Nazi und FPÖ nie wieder in einem Atemzug auszusprechen. Denn nicht nur, dass mich der Vorwurf, die Faschismuskeule hervorzuholen, bloß noch nervt, ist diese Faschismuskeule längst ein untaugliches Instrument. Sie gleicht mehr einem Schaumgummischläger als einem wirkungsvollen Werkzeug der Argumentation. Die Schaumschlägerei der politischen Kontrahenten ersetzt die Diskussion.

"Little Drummer Boy"

Und dann sehe ich diesen Auftritt von unser aller Strache, und – sorry – mein Gehirn signalisiert "faschistische Ästhetik" anstatt in nachweihnachtlicher Stimmung "Little Drummer Boy". Daher schnell diese erste Emotion ausschalten und Ratio einschalten. Vergeblich. Nach allen Definitionskriterien kommt die Vernunft zum selben Schluss. Wenn Gefühl und Verstand im Gleichklang sind, kann man nicht zur Tagesordnung übergehen und sagen: Es war nix! Natürlich war was.

Die lächerliche Verteidigungsthese der Freiheitlichen, es sei Verharmlosung des Faschismus, ihrer Veranstaltung eine faschistische Ästhetik zu attestieren, geht völlig am Kern des Problems vorbei. Denn keine Form von Nähe zu faschistischen Vorbildern kann mit den Originalen mithalten. Auf eine solche Nähe hinzuweisen ist daher irgendwie immer Verharmlosung, solange die Nachahmer sich nicht gleicher Verbrechen schuldig machen wie die als ihr Vorbild Vermuteten. In der Logik der FP-Argumentation wäre jede Kritik an Ähnlichkeiten mit nazistischen Formen und Inszenierungen eine Verharmlosung von Faschismus oder Nationalsozialismus.

Dass die Ästhetik der Trommeldarbietung nicht ganz gelungen scheint, ändert nichts daran, woran sie Maß nimmt. Kaum vom Trommeln erholt, erklingen merkwürdige Lieder aus den Kehlen schlagender Barden, die sie freudig abdrucken. Und ich hänge wieder wie ein Süchtiger an der Faschismuskeule. Der berüchtigte "Negeraufstand ist in Kuba" wurde bis in die 1960er auch bei der Jungschar gesungen – dort aber ist er zu Recht verschwunden. Es ist auch keine Entschuldigung, dass dieser rassistische Schmarren in einem deutschen Volksliedarchiv in voller Länge und unkommentiert unter "Kinderlieder" im Netz steht.

Eine Frage stellt sich jedenfalls eminent: Wieso ist es gerade die FPÖ – egal ob unter Jörg Haider oder unter Heinz-Christian Strache -, die einem immer wieder die Faschismuskeule zwanghaft in die Hände drückt? Ist es Provokation? Oder sind manche Paradigmen derart tief in die DNA der FPÖ eingeschrieben, dass sie ganz automatisch, quasi per epigenetischen Schalter, auf die historisch meist unbedarften FPler einwirken? Der durchschnittliche FP-Funktionär aller Ebenen hat keine Ahnung davon, worin das Wesen faschistischer Ästhetik besteht. Trotzdem bedienen sie sich ihrer ganz intuitiv. Offenbar hat diese Art der Ästhetik (wie jede andere Ästhetik auch) eine gewisse Tendenz, bestimmten Weltbildern und Vorstellungen von Politik nahe zu sein. Sie wird aus dem Unbewussten geschöpft.

Ästhetik und Weltsicht ...

Jede Ästhetik hat Nähe zu bestimmten Weltsichten und Lebensgefühlen. Das Dunkle, Bedrohliche faschistischer Ästhetik paart sich gerne mit rechtem Gedankengut, mit dem Lebensgefühl von Menschen, die sich selbst durch die Moderne und ihre Folgen, durch Globalisierung und allzu schnelle Veränderung der Lebenswelten bedroht fühlen. Die düstere Trommelinszenierung und martialische Lieder entsprechen der Angst vor den Ausländermassen, derer man nicht mehr Herr (sic!) wird.

... Ängste und Weltuntergang

Rechte Ängste und Weltuntergang liegen immer eng beieinander. Ihre Farben sind dunkel, ihre Töne angstverstärkend. Das ist m. E. der tiefere Grund, warum die FPÖ immer wieder ihren sehnlichen Wunsch nach Reputation durch nazistische Attitüde konterkariert. Sie fühlt sich von Feinden umgeben, und dank der Reaktionen auf ihr deviantes Verhalten sieht sie sich erst recht in Feindeshand – und das mitten in der vielbeschworenen Heimat.

Die Form der gewählten Inszenierung erlaubt in der Tat Rückschlüsse auf die mentale Verfassung jener, die sie ausgewählt haben.

Der Irrtum der Kritiker von links liegt teilweise darin zu glauben, in der FPÖ sitze jemand herum und denke darüber nach, wie er am besten mit Anspielungen auf den Nationalsozialismus Wähler gewinnen kann. Ein Irrtum! Es ist aufgrund der intuitiven Nutzung gleicher Lebensgefühle, dass man bestimmte Äußerungen macht oder Auftritte entsprechend gestaltet.

Welt in den Köpfen

Der Nationalsozialismus wiederholt sich nicht. Aber die menschliche Natur macht manche von uns geneigt. Die neue Regierung setzt auf solche Ängste und verstärkt die Geneigtheit jener, die schon jetzt alle Ängste dieser Welt in ihren Köpfen erleben. Darum muss man über Inszenierungen wie jene in Innsbruck und über Liederbuchsammlungen ernsthaft sprechen. Denn wie der Schelm trommelt, so singt er auch.

Ich stehe lieber auf der Seite jener, die der trotzigen Melancholie der Rolling Stones folgend "But what can a poor boy do except to sing for a rock 'n' roll band" singen und die wohl nie inmitten schwarzgewandeter Trommler einer mehr als nur fragwürdigen Ästhetik frönen oder volltrunken beim "Schoppensalamander" ihr Liedgut, eigentlich Liedschlecht, pflegen werden. (Michael Amon, 2.2.2018)