"Also, wie Sie das alles schaffen, trotz Ihrer Behinderung, ist wirklich bewundernswert." "Viele Leute mit kleineren Problemen könnten sich von Ihnen eine Scheibe abschneiden." "Sie inspirieren mich wirklich …"

Beinahe täglich werde ich so oder auf eine ähnliche Weise von wildfremden Menschen angesprochen. Und das eigentlich schon mein Leben lang: Seit meinem zweiten Lebensjahr sitze ich aufgrund eines Autounfalls im Rollstuhl. Ich kenne es nicht anders, ich bin damit aufgewachsen, für mich ist das eigentlich schon Gewohnheit. In seltenen Fällen, als ich wirklich noch jung war, ist bei solchen Inspirations-Bekundungen sogar spontan ein extra Taschengeld übergeben worden. Für einen Burschen im Alter von acht Jahren war das natürlich eine große Freude. Aber als zwanzigjähriger Erwachsener darf man das Ganze schon mal hinterfragen und reflektiert betrachten, was die Menschen in einem sehen. Warum soll ich eigentlich inspirierend sein?

Behinderungen gelten als negativ

Ich habe für mich selbst festgestellt: Ich bin es gar nicht. Zumindest nicht aus jenen Gründen, weswegen manche Menschen mich als inspirierend bezeichnen. Meistens hatten diese Leute nämlich keine näheren Informationen über mich als Person, außer, dass ich es an jenem Morgen geschafft hatte, mich anzuziehen und das Haus zu verlassen. An sich noch nicht sonderlich inspirierend, oder?

Natürlich kann ich verstehen, was mit solchen Aussagen gemeint ist. Es geht um die Bewunderung darüber, wie ich mit meinem vermeintlich schwierigen Leben umgehe. Dass ich es trotz Behinderung schaffe, meinen Alltag zu bewältigen. Kurz: Dass ich es schaffe, mit meiner Behinderung zu leben. Und genau das stört mich. Die Behinderung wird im Vorhinein als negativ aufgefasst, das Leben im Rollstuhl als wesentlich schlechter. Und wenn dieses Übel bewältigt ist, so ist das bewundernswert. Nur sehe ich das nicht so.

Ich spiele Tennis im Rollstuhl – nicht mehr und nicht weniger.
Foto: AP Photo/Vincent Thian

"Mit" Behinderung und nicht "trotz"

Ich mache nichts trotz meiner Behinderung, ich mache alles mit meiner Behinderung. Ich spiele nicht trotz meiner Behinderung Tennis, ich spiele einfach Tennis. Nur eben im Rollstuhl. Ich versuche nicht, meine Behinderung durch den Sport zu kompensieren, ich muss niemandem zeigen, was ich alles trotz Behinderung noch drauf habe, sondern habe im Sportler-Dasein einfach meinen Lieblingsberuf gefunden. Meine Behinderung sehe ich nicht als oben angesprochenes Übel an, das überwunden werden muss, sondern als absolut neutralen und normalen physischen Zustand. Der eine geht von A nach B, ich rolle. Ich sehe es nicht als bewundernswerte Leistung an, mein Leben mit Behinderung normal zu leben – denn es ist ja auch ein normales Leben. Meine Rückhand-Longline hat da um einiges mehr an Bewunderung verdient. (Nico Langmann, 7.2.2018)

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