Im hochalpinen Moorland des Schwarzköpfle soll der Speichersee gebaggert werden.

Foto: Grabher/Silvretta Montafon

Bregenz – Es kriselt bei Schwarz-Grün im Vorarlberger Landhaus. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) war schlichtweg aus dem Häuschen, als sein Regierungspartner Johannes Rauch (Grüne) während einer Brüssel-Reise des Landeschefs ein ökologisch fragwürdiges Tourismusprojekt öffentlich machte.

Via Pressekonferenz verteufelte Rauch den projektierten Bau eines Speichersees zur Kunstschneeproduktion im Montafoner Gebirge. Rauch tat, was er als zuständiges Regierungsmitglied für Natur- und Klimaschutz tun muss. Er sprach sich gegen ein die Natur auf Generationen hinaus belastendes Projekt aus. Er tat dies in drastischen Worten, sprach von Naturfrevel und Gigantomanie.

Der geplante Speichersee wird 6,5 Hektar groß sein, was etwa zwölf Fußballfeldern entspricht. Der Damm wächst an den höchsten Stellen 26 Meter in die Höhe, über 300.000 Kubikmeter Wasser werden gespeichert. Das entspricht dem Fassungsvermögen von 120 olympischen Sportbecken. Oder umgerechnet auf den durchschnittlichen Trinkwasserverbrauch: Man könnte damit die rund 4.000 Einwohner der angrenzenden Gemeinden St. Gallenkirch und Gaschurn ein Leben lang mit Wasser versorgen.

Kunstschnee – noch mehr, noch schneller

Mit dem künstlichen See unter dem Schwarzköpfle auf 2.100 Meter Seehöhe möchte die Silvretta Nova GmbH ihre Konkurrenzfähigkeit in schneearmen Wintern sichern. Das Wasser aus den zuliefernden Bächen reicht für die Beschneiung des gewachsenen Skigebiets nicht aus, man will Wasserknappheit durch Zwischenspeicherung im neuen See überbrücken.

Zudem soll der Speichersee die schnelle Beschneiung ermöglichen. Sprich: Sobald es kalt genug ist, wird das Wasser abgepumpt und aus vollen Rohren Schnee gemacht. So könnte man den Schneebedarf für 70 bis 75 Prozent des Skigebiets über die mittlerweile schneearmen Weihnachten sichern, argumentieren die Betreiber. Zehn bis zwölf Millionen Euro will das Tourismusunternehmen investieren.

Als Nebenprodukt zum Speichersee entsteht zudem eine neue Skipiste. Die bestehende vier Meter breite Skiroute wird durch das Aushubmaterial auf 16 Meter verbreitert, die elektrische Verkabelung für einen weiteren Ausbau ist Teil des beantragten Projekts.

Was ist öffentliches Interesse?

Die Grünen wollen nun eine öffentliche Diskussion über den Eingriff in das empfindliche Ökosystem eines hochalpinen Feuchtgebiets und eine öffentliche Abwägung ökologischer und wirtschaftlicher Interessen. Der Regierungspartner reagierte beleidigt.

Kaum aus Brüssel zurück, stellte Wallner den vorlauten Rauch öffentlich wegen ungebührlichen Verhaltens ins Winkerl, kritisierte dessen Wortwahl via Medien als "unwürdig" und verlangte "seriöses Agieren". Es gehe um die Konkurrenzfähigkeit der Tourismusregion Montafon. Die Landesregierung müsse den Skigebieten ermöglichen, schneesichere Pisten zu schaffen, ließ er Rauch wissen.

Wallner übersieht im Zorn über Rauchs Alleingang die Einwände der Amtssachverständigen. Die Gutachter aus Naturschutz und Raumplanung sprechen von massiven Eingriffen, die dem Naturschutzgesetz und den Raumplanungszielen widersprechen. Die Naturschutzanwaltschaft spricht sich gegen das Projekt aus, und so auch der Naturschutzrat, das ökologische Feigenblatt der Landesregierung.

Expertenrat als Feigenblatt

Als einziges Bundesland hat Vorarlberg ein Expertengremium, das die Landesregierung in Fragen des Naturschutzes berät. Das Projekt Speichersee Schwarzköpfle wurde dem Naturschutzrat bisher vorenthalten. "Wir werden zu solchen Entscheidungen nicht befragt", bedauert die Ratsvorsitzende Gerlind Weber.

Die Raumplanungsexpertin vermisst eine strategische Debatte über Fragen der Nachhaltigkeit in Vorarlberg. Der Skitourismus in Zeiten des Klimawandels müsse Teil dieser Debatte werden. An Einzelprojekten wie dem Speichersee werde ersichtlich, wie sehr sich "zerstörerischer Metabolismus" breitmache. Es sei Aufgabe der Politik, die Summe dieser Einzelprojekte und deren schwerwiegende Folgen zu sehen, sagt Weber.

Noch ist der Montafoner Speichersee nicht bewilligt, die Betreiber rechnen aber mit Baubeginn im nächsten Jahr. Im Herbst 2019 wird in Vorarlberg gewählt. Rauch hat die Debatte eröffnet, es wird im nächsten Wahlkampf um Grundsätzliches gehen müssen. Beispielsweise darum, wer bestimmt, ob ein Projekt, dessen Auswirkungen auf die Natur Generationen beschäftigen werden, von öffentlichem Interesse ist. Die Bevölkerung und ihre politischen Vertreter oder Lobbys?

Landtagswahl wirft Schatten voraus

Für die Grünen geht's in dieser Diskussion ums Ganze. Sie werden zukunftsfähige Strategien für nachhaltiges Wirtschaften in touristischen Regionen wie dem Montafon präsentieren müssen. Noch fehlen die Alternativen zum Skitourismus. Die Diskussion über den Speichersee wird zeigen, ob die Grünen im grünenfeindlichen Montafon Dialogpartner finden werden.

Die Volkspartei wiederum muss im Montafon um jede Stimme kämpfen, denn das Tal im Süden Vorarlbergs ist Hoffnungsgebiet der Freiheitlichen, die dort bei den vergangenen Wahlgängen kräftig zugelegt haben. (Jutta Berger, 2.2.2018)