Eine Explosion auf der ägyptischen Seite der Grenze zum Gazastreifen in Rafah im November 2017. Der Nordsinai kommt nicht zur Ruhe.

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Kairo/Jerusalem/Wien – Dass Israel mit der Zustimmung Kairos auf dem ägyptischen Nordsinai Luftangriffe durchführe, sei ungefähr so ein Geheimnis wie die israelischen Atomwaffen, ironisiert der Analyst Zack Gold die Kernaussage des Artikels von David D. Kirkpatrick in der "New York Times" von Samstag: Aber Kirkpatrick, der für ein Buch recherchiert, gelang es, erstmals konkrete Bestätigungen darüber zu sammeln und die israelische Unterstützung für die ägyptischen Militäroperationen zu quantifizieren. Mehr als hundertmal habe Israel seit zwei Jahren mit Drohnen, Hubschraubern und Kampfjets auf ägyptischem Territorium zugeschlagen, mit voller Unterstützung der ägyptischen Führung unter Präsident Abdelfattah al-Sisi. Die das allerdings dementiert.

Willige Verbündete für Islamisten

Ägypten führt in den vergangenen Jahren im Norden des Sinai einen erbitterten Kampf gegen Jihadisten der Gruppe "Ansar Beit al-Maqdis", die sich 2014 als "Wilayat Sinai" dem "Islamischen Staat" anschloss. Der IS fand dort ein günstiges Habitat: Unter den der Zentralregierung in Kairo völlig entfremdeten Beduinen, die teilweise vom Waffen- und anderem Schmuggel leben, fanden die islamistischen Extremisten willige Verbündete. 2015, als es den Jihadisten gelang, ein russisches Passagierflugzeug abzuschießen, schien die Lage langsam kritisch zu werden.

Der erste Bericht über einen israelischen Drohnenangriff, der mehrere Jihadisten auf der ägyptischen Seite der Grenze tötete, stammt bereits aus dem August 2013: Er wurde der Nachrichtenagentur AP gegenüber von ägyptischen Offiziellen zuerst bestätigt und danach wieder dementiert. Seit 2015 wird in Medienberichten mit einer gewissen Regelmäßigkeit behauptet, dass die israelisch-ägyptische Sicherheitszusammenarbeit noch nie dagewesene Dimensionen erreicht habe und Berichte über einen israelischen Drohneneinsatz tauchen immer wieder auf.

Alte Bekannte

In der Tat kennen die beiden Militärgeheimdienste einander schon lange sehr gut: Die Zusammenarbeit an der gemeinsamen Grenze und im Grenzgebiet, für die laut dem israelisch-ägyptischen Friedensvertrag von 1979 gewisse Entmilitarisierungsregeln gelten, ist nichts Neues. Waren die Israelis oft unzufrieden mit Präsident Hosni Mubaraks Eindämmung der Hamas im Gazastreifen im Norden, so wurden sie so richtig nervös, als im Jahr nach dem Sturz Mubaraks, 2012, der Muslimbruder Mohammed Morsi zum Präsidenten gewählt wurde.

Auf US-Druck setzte Morsi die Sicherheitszusammenarbeit mit Israel fort. Konkret war sie in der Hand von Morsis neuem Verteidigungsminister und Armeechef, Abdelfattah al-Sisi, ab August 2012. Für diesen war es nur die Fortsetzung einer alten Aufgabe: Sisi war zuvor Direktor des Militärgeheimdienstes gewesen.

Sisis Machtübernahme im Sommer 2013 wurde von Israel begrüßt: Die israelische Regierung setzte sich in der Folge in Washington dafür ein, dass der Umsturz nicht als Putsch qualifiziert wurde, was nachhaltige Folgen für die US-Militärhilfe für Kairo gehabt hätte. Israel sah Ägyptens Kapazitäten an der gemeinsamen Grenze in Gefahr: Um sie zu stärken, hat die israelische Seite auch einige für Ägypten laut Friedensvertrag geltende militärische Beschränkungen außer Kraft gesetzt. An der Grenze zum Gazastreifen kooperiert Ägypten bei der Zerstörung von Hamas-Tunneln.

"Strategische Romanze"

Manche Beobachter sprechen geradezu von einer "strategischen Romanze" zwischen Sisi und Benjamin Netanjahu, die einander offiziell erstmals am Rande der Uno-Vollversammlung im Herbst 2017 trafen. Mit Sisi ist auch die erste Generation von ägyptischen Militärs am Ruder, die nicht mehr in einem Krieg gegen Israel gekämpft hat. Die "NYT" spricht im Zusammenhang mit der israelischen Luftunterstützung für die ägyptische Armee von "dem bisher dramatischsten Beleg für eine stille Rekonfiguration" der nahöstlichen Politik. In der Tat haben andere Probleme den israelisch-palästinensischen Konflikt als wahrgenommene größte Sicherheitsbedrohung für die Region längst abgelöst – und eine israelisch-arabische Zusammenarbeit ermöglicht. Da sind einerseits die Jihadisten und die Muslimbrüder, andererseits der Iran, der ja, wo es ihm zupasskommt – wie im Falle der Hamas -, diese auch unterstützt.

Einer Bevölkerung, die man jahrzehntelang mit Hass gegen Israel gefüttert hat, ist das jedoch nicht so leicht zu verkaufen: Deshalb bleiben die Palästinenser für die arabischen Regierungen offiziell weiter ganz oben auf der Agenda. US-Präsident Donald Trumps Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt brachte sie jüngst gehörig in Verlegenheit. (Gudrun Harrer, 5.2.2018)