Auf den ersten Blick könnte die rechte Hand auch Robocop gehören. Das metallene Blau schimmert leicht, nur fünf Finger blinzeln an den Enden heraus. Ivonne Gross braucht nicht lang, um die Armschiene anzulegen. Währenddessen lockert Partnerin Tamara Adler die Handgelenke und Finger.

Für die zwei besten Bowlerinnen Österreichs sind ihre Hände die wichtigsten Werkzeuge: "Die Armschiene stützt das Handgelenk und hilft bei der Haltung", sagt Gross. Im Wettkampf ist die Schiene erlaubt. Ihre Teamkollegin verzichtet darauf: "Das ist Geschmackssache."

DER STANDARD

Sonst wirkt das Plus-Bowlingcenter im 17. Wiener Gemeindebezirk nicht allzu futuristisch. 32 Bahnen sind blitzblank, über jeder hängt ein Fernseher, der die Spielstände anzeigt. Die Eingabegeräte sind etwas in die Jahre gekommen, die neonfarbenen Tastaturen erinnern an eine Spielhalle im Lignano der 1990er-Jahre.

Vor dem Training hängt Gross ein paar Girlanden über der langen Bar auf. Sie sei hier auch die "Frau für alles", die Bowlinghalle ist das zweite Zuhause.

Am Vormittag ist die Halle eigentlich geschlossen, die beiden nutzen die Ruhe, um zu trainieren. Zwei- bis fünfmal pro Woche, mindestens zwei Stunden verbessern sie ihr Spiel. Die 22-jährige Adler ist Bürokauffrau, Gross (38) arbeitet außerhalb der Halle als Personaltrainerin. 2016 holten sie bei der EM die Bronzemedaille. In Österreich sind die beiden Spielerinnen vom Verein KSV Wiener Netze das Nonplusultra des Bowlingsports der Frauen.

Zerreißprobe in der Disco

Wenn die Halle am Nachmittag öffnet, geht es so richtig los. Bowling ist in Österreich schon länger angekommen, vor allem als Freizeitspaß. Es wird getrunken, gegessen, ausgerutscht, gejubelt und gelacht. Manche Hallen bieten Discobowling an, es kann im Schwarzlicht und zu Musik eine lautere Kugel geschoben werden. "Manchmal gehe ich zum Discobowling und mische mich unter die Openbowler. Es ist eine Zerreißprobe für die Konzentration", verrät Gross. "Openbowler" nennen die Profis Freizeitspieler. Das ist nett.

Ivonne Gross und Tamara Adler sind das Nonplusultra in Österreichs Frauenbowling.
Foto: Christian Fischer

Nett ist beim Bowling auch, dass sich schnell Erfolgserlebnisse einstellen. Schon durch Zufall gelingt dem Spaßbowler hie und da ein Strike, die Kluft zwischen Open- und Turnierspielern liegt vor allem in der Konstanz. Das Maximum von 300 Punkten ist auch für Profis keine Alltäglichkeit, Gross schaffte in ihrer Karriere drei perfekte Spiele.

Die Bewegungen der beiden sind elegant, drei bis fünf Schritte Anlauf, dann zischt der Ball – nicht die Kugel – in einer schneidigen Kurve über die geölte Bahn. Das Geräusch, wenn die Pins – nicht Kegel – durch die Box wirbeln, ist laut und befriedigend zugleich. Ein kurzer Blick, ein Lächeln, eine Faust zur Partnerin, und schon kommt der nächste Ball aus dem Zulauf.

Der Strike, also wenn alle zehn Pins abgeräumt werden, ist das Ziel jedes Bowlers. Zehn "Frames" à maximal zwei Würfe dauert eine Partie, räumt man beim ersten Wurf ab, folgt der nächste Frame. Im letzten kann man sich mit zwei Strikes noch einen zusätzlichen Wurf erspielen. Klingt lustig, ist aber anstrengend: "Bei einem Turnier steht man über zwei bis drei Tage die ganze Zeit an der Bahn. Man muss kein Bodybuilder sein, aber ohne körperliche Fitness kommt man nicht weit", sagt Gross. Im Turnier wird im Einzel, als Duo, Trio, Mannschaft oder Mixed gespielt.

Eine Frage der Technik

Ein Unterschied zum Hobbyspiel ist auch das Equipment. Ein Ball für Profis kostet 200 Euro, ist aber viel besser und gezielter zu kontrollieren. Ein Kern im Ball hilft, diesen mit dem beeindruckenden Effet Richtung Pins zu schicken. Gross weiß: "Es liegt auch an der Technik: Der Daumen verlässt zuerst das Loch, die Finger sind nicht ganz drin. Dann kommt mit der richtigen Handhaltung die Kurve zustande."

Der Schwung wirkt perfekt, die Bälle flitzen über die Bahn.
Foto: Christian Fischer

Verschleiß gebe es auch bei den Schuhen, die Sohle kann dem Untergrund angepasst werden. Denn die Bahnen wirken nur auf den ersten Blick ident, sind aber unterschiedlich schnell. In der Hernalser Halle ist die 19er die schnellste.

Insgesamt gibt es in Österreich 261 für Wettbewerbe zugelassene Bowlingbahnen. Der Zulauf ist überschaubar, Bowling ist für viele mehr Afterwork-Spaß als Profisport. Für Gross ist klar: "Bowling kann man eben nicht im Turnunterricht ausprobieren. Es finden nicht viele Jugendliche zum Sport." Einen regulären Meisterschaftsbetrieb sichert die Konkurrenz. International sind das Mutterland USA und Asien die Messlatte. Der Abstand sei aber "sehr groß". Als Nächstes steht im Juni die Europameisterschaft in Brüssel auf dem Programm. Adler ist optimistisch: "Wir sind zwar Außenseiterinnen, aber an einem guten Tag ist alles drin."

"Bowling kann man nicht im Turnunterricht ausprobieren"
Foto: Christian Fischer

Während die Bälle über die Bahn jagen, wird die Halle auf Glanz gebracht. Wenn die Openbowler kommen, steht der Sport wieder im Hintergrund und der Spaß regiert. Die beiden Frauen werfen zwei Strikes und warten zufrieden auf den nächsten Ball. Die Pins stehen schon wieder. (Andreas Hagenauer, 5.2.2018)