Außenansicht des Verfassungsgerichtshofs (VfGH).
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PRO: Ruf des VfGH ist in Gefahr

von Günther Oswald

Eines ist klar: Die Politik wird immer eine gewisse Rolle bei der Besetzung des Verfassungsgerichtshofs spielen. Allein sechs von 14 Richtern werden vom Bundespräsidenten "auf Vorschlag der Regierung" ernannt. Der Rest wird von Nationalrat und Bundesrat nominiert. Es geht also nicht darum, jede nur denkbare parteipolitische Nähe aus dem Höchstgericht zu verbannen.

Entscheidungen der Verfassungsrichter sollten aber auf breiteste Akzeptanz bei der Bevölkerung und auch bei den politischen Parteien stoßen. Sie müssen über jeden Verdacht erhaben sein. Bisher war das (weitgehend) der Fall.

Mit der Bestellung von Wolfgang Brandstetter läuft die Regierung nun aber Gefahr, den Ruf des VfGH zu beschädigen. Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass einige heikle Materien dieser Regierung – Stichwort Familienbeihilfe oder Mindestsicherung – beim Höchstgericht landen werden. Dass ein enger Vertrauter des ÖVP-Chefs hier neutral entscheiden wird, kann und wird bezweifelt werden.

Der Fall ruft aber einmal mehr in Erinnerung, dass die Unvereinbarkeitsregeln grundsätzlich neu aufgesetzt werden sollten. So ist es in Österreich kein Problem, wenn Verfassungsrichter gleichzeitig in Aufsichtsräten von Unternehmen sitzen und als Richter Entscheidungen treffen, die möglicherweise die Konkurrenz ihres "Arbeitgebers" betreffen. Die Lex Brandstetter sollte Anstoß für eine Reform mit einheitlichen Cooling-off-Regeln für alle Höchstrichter sein. (Günther Oswald, 5.2.2018)

KONTRA: Erst Minister, und was dann?

von Eric Frey

Verfassungsrichter in Österreich zu sein – und das ist international höchst unüblich – ist ein Teilzeitjob. Zahlreiche Höchstrichter haben daneben gutgehende Anwaltskanzleien, was immer wieder zu Interessenkonflikten führen kann.

Aber die Kritik an Wolfgang Brandstetters Berufung in den Verfassungsgerichtshof entzündet sich nicht an seiner Arbeit als Strafverteidiger, sondern an seinem bisherigen Job als Justizminister. Niemand soll direkt von der Regierung in ein Höchstrichteramt wechseln, so die Forderung.

Nun gibt es am VfGH eine Wartefrist für Expolitiker, aber nur für den Präsidenten- und Stellvertreterposten. Das mag aus optischen Gründen berechtigt sein. Aber warum ein bisheriger Minister Verfassungsfragen nicht genauso objektiv und unabhängig beurteilen kann wie ein Rechtsprofessor, ein Spitzenbeamter oder ein Wirtschaftsanwalt, können die Kritiker nicht sagen. Gibt es den Verdacht der Befangenheit, etwa weil ein unter ihm entstandenes Gesetz geprüft wird, muss er sich ohnehin der Stimme enthalten. Und eine solche Unvereinbarkeit kann auch nach einer mehrjährigen Abkühlphase auftreten.

Wer aus einem Regierungsamt ausscheidet und einen neuen Job antritt – ob im Privatsektor oder im Staatsdienst -, ist immer öfter medialer Kritik ausgesetzt. Natürlich wäre es am saubersten, wenn Minister weder davor noch danach sensible Posten bekleiden. Doch dann würde man kaum noch qualifizierte Personen für die Politik finden. (Eric Frey, 5.2.2018)