Analogastronauten bei der Arbeit: Wie zuvor schon bei einer Simulation in Marokko schlagen die Wissenschafter heuer ihre aufblasbaren Zelte in der Wüste des Sultanats Oman auf. In der unwirtlichen Umgebung, die den Bedingungen auf dem Mars ähnlich sein soll, werden Experimente, Technologien und Prozesse erprobt.

Foto: ÖWF/Katja Zanella-Kux

Maskat/Innsbruck – "Sand, Sand, Sand", beschreibt Gernot Grömer seinen Ausblick durch die Fenster der Kontrollstation. "Nur auf einer Seite erhebt sich eine 'inflatable structure', ein aufblasbares Zelt in der Größe von 50 mal 50 Metern." Es ist die Basisstation, in der in Kürze Wissenschafter mit Marsforschern im Außeneinsatz, mit Roboterautos und anderen Instrumenten draußen im Wüstensand kommunizieren werden.

Die Szene, die der Direktor des Österreichischen Weltraum-Forums (ÖWF) beschreibt, liegt tief in der Wüste von Dhofar im Sultanat Oman. Mit dem "Landing Day" beginnt am 8. Februar offiziell die zwölfte Marssimulation des ÖWF, Amadee-18. Sie wird die unwirtliche Umgebung hier am südlichen Ende der arabischen Halbinsel in die unwirtliche Umgebung unseres Nachbarplaneten verwandeln, um wissenschaftliche Experimente, neuartige Raumfahrttechnologien sowie Prozesse einer bemannten interplanetaren Mission zu erproben. Und natürlich geht es darum, Begeisterung für die Erforschung des Mars, "eines der größten Abenteuer unserer Generation", weiterzugeben.

Wechsel in den "Marsmodus"

"Noch dürfen wir in Echtzeit kommunizieren", lacht Grömer, der auch Feldkommandant der Mission ist. Wenn die Experimente der sogenannten Analogastronauten angelaufen sind und die Forscher im Oman täglich morgens in den "Marsmodus" wechseln, bedeutet das auch, dass die Kommunikation vom Oman zur Bodenstation des ÖWF in Innsbruck – entsprechend den realen Verhältnissen der Signalübertragung zwischen Mars und Erde – um etwa 20 Minuten verzögert wird. "Ab diesem Zeitpunkt herrschen ein anderer Autonomiegrad und andere Prozesse der Entscheidungsfindung", erklärt Grömer.

Die Wissenschafter im Feld sind dabei die "verlängerten Augen und Ohren" der Forschergruppen rund um insgesamt 15 internationale Projekte, die via Bodenstation zugeschaltet sind. Dazu gehört beispielsweise Hortextreme, ein aufblasbares Treibhaus zur Nahrungsmittelgewinnung der italienischen Weltraumagentur Asi und der Universität Mailand. Abseits von Laborbedingungen, von Rom aus ferngesteuert, soll der Anbau von Microgreens, kleiner, kresseähnlicher Pflanzen, unter Missionsbedingungen erprobt werden, erklärt Grömer. "Geht alles gut, können wir fast das ganze Experiment essen."

Für Aufklärung und Orientierung sorgt eine Drohnentechnik des Instituts für Smart-Systems-Technologie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (AAU), die auch an Bord eines künftigen Marsrovers zum Einsatz kommen könnte. Die Drohnen fliegen ein Gebiet lediglich auf Basis eigener Kameraaufnahmen autonom ab und kartografieren es gleichzeitig. Das Kartenmaterial wird dann mit Satellitenaufnahmen – auf dem Mars gibt es kein GPS – in Einklang gebracht. Die Aufnahmen ermöglichen zudem eine besondere Art der Missionsplanung und -nachbearbeitung, erläutert Grömer. Mithilfe einer Virtual-Reality-Brille sollen in Innsbruck damit die abgelichteten Areale virtuell besucht werden können. "Auf diese Art kann man zum Beispiel einen Außeneinsatz erneut abgehen, um zu sehen, ob wirklich an alles gedacht wurde."

Der Faktor Mensch

Doch nicht nur die Technologie, auch der Faktor Mensch und die psychischen Belastungen, die eine Marsmission mit sich bringt, müssen berücksichtigt werden. Aus diesem Grund ist Martin Hagmüller vom Signal Processing and Speech Communication Laboratory (SPSC) der TU Graz Teil der Oman-Mission. "Unsere Fragestellung ist, ob wir anhand des Kommunikationsverhaltens der Einsatzgruppe auf ihren psychischen Zustand rückschließen können."

Neben der Funkkommunikation nehmen Hagmüller und sein Team auch die Einsatzbesprechungen am Morgen und am Abend mit speziellen Mikrofonen auf. Die einzelnen Sprecher werden isoliert, das Gesprochene wird soweit möglich mittels automatischer Spracherkennung transkribiert und von auf derartige Ausnahmesituationen spezialisierten Psychologen analysiert. "Aus der Art, wie kommuniziert wird, welche Wörter verwendet werden, können Rückschlüsse auf den sozialen Zusammenhalt der Gruppe gezogen werden", sagt Hagmüller. Zudem werden die Stimmen der Beteiligten untersucht. "Aspekte der Sprachmelodie oder Heiserkeit können Anzeichen für Stress sein."

Auch langfristige Stimmveränderungen werden überprüft. "Wir bitten die Teilnehmer, dass sie zumindest jeden zweiten Tag Äsops Fabel vom Nordwind und der Sonne auf Band sprechen", erklärt der Wissenschafter die Vorgangsweise. "Gleichzeitig soll ein Tagebuch über aktuelle Vorkommnisse und Stimmungen angefertigt werden." Per automatischer Stimmanalyse wird dann nach Stressindikatoren gesucht. "Wenn sich die mittlere Grundfrequenz der Stimme einer Person während einer Mission verändert, kann das ein Anzeichen für Stress sein", gibt Hagmüller ein Beispiel.

Ungewöhnliche Muster in Stimmen finden

In Zukunft sollen auch Methoden des maschinellen Lernens angewandt werden, um ungewöhnliche Muster in individuellen Stimmen zu finden. "Bis diese Technologie einsetzbar ist, benötigen wir aber noch viel mehr Daten", erklärt der Signalverarbeitungsexperte, der mit seinem Team ein ähnliches Experiment mit der Besatzung einer Forschungsstation in der Antarktis betreut. "In der isolierten, dunklen Umgebung am Südpol kann es zu depressiven Tendenzen kommen. Dabei kann die Stimme langsamer oder die Sprachmelodie flacher werden – Eigenschaften, die wir automatisch extrahieren können."

Bevor die Marssimulation losgeht, empfängt Gernot Grömer im Wüstensand noch Minister und Mitglieder des Königshauses des Kooperationspartners Oman. Aber spätestens in ein paar Tagen wird "TumbleWeed" durch die Wüste rollen. Die vom Wind getriebenen Büsche, die in Western gerne verlassene Gegenden versinnbildlichen, sind hier der Namensgeber für ein weiteres Experiment. Als eines von vier Schülerprojekten erkundet das von Gymnasiasten der Wiener Sir-Karl-Popper-Schule entwickelte nahezu ballförmige und mit vielerlei Sensoren gespickte Forschungsinstrument die Wüstenumgebung, durch die es vom Wind gerollt wird. (pum, 9.2.2018)