Wien – Manche Dinge erledigen sich von selbst. Die Frage zum Beispiel: Wer ist der größere Schurke? Frank Underwood, der abgefeimte Serienpräsident aus House of Cards, oder der "echte" Mann im Weißen Haus, Donald Trump? Hat sich erübrigt, Underwood-Darsteller Kevin Spacey vermasselte Netflix den letzten Wahrheitsbeweis durch obszöne Handlungen im richtigen Leben. Mit Robin Wright übernimmt in der nächsten, letzten Staffel die Präsidentengattin das Ruder und muss fortsetzen, was langsam, aber sicher ein Ende finden darf.

Homeland

Noch zwei Staffeln, dann hat es auch Carrie Mathieson überstanden. An diesem Sonntag geht Homeland in die siebente und damit vorletzte Runde. Der US-Sender Showtime beendet 2019 die Politthrillerserie nach acht Jahren. Die Frage drängt sich auf: Ist Donald Trump schuld am Ende?

Atemberaubender Start

Es spricht einiges dafür, auch wenn der US-Präsident nicht unmittelbar zum Abschluss beitrug, geschweige denn sich jemals nachweisbar in der Öffentlichkeit zur bald siebenfachen Terroristenjagd äußerte, die Politserie also auch nicht kritisiert und sein Ende aktiv betrieben hätte.

Als Adaption der israelischen Serie Hatufim ging Homeland 2011 mit einem wahrhaft atemberaubenden Plot an den Start: Nach fünf Jahren taucht der von Terroristen im Irak entführte und tot geglaubte Elitesoldat Nicholas Brody (Damian Lewis, Foto) plötzlich wieder auf.

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Foto: dapd / Kent Smith

Die Freude über die Wiederkehr weicht schnell einem schrecklichen Verdacht: Der Errettete könnte ein Überläufer sein, mit Terroristen kollaborieren und einen alles vernichtenden Anschlag planen. Die CIA-Agentin Carrie Mathison (Claire Danes) hegt diesen Verdacht früh, ist sich aber nicht sicher. Die heldenverliebten Amerikaner wollen davon sowieso nichts hören, was nicht nur für die manisch-depressive Carrie im wahrsten Sinne des Wortes zum Narrischwerden ist, sondern auch das Serienpublikum spannungsmäßig an den Rande des gewollten Nervenzusammenbruchs bringt.

Nicht zu toppen

Wie Homeland die Paranoia des Landes nach 9/11 einfing und daraus Spannungsstoff schuf, war unschlagbar und ist im Jahr zwei von Donald Trump nicht zu toppen. Ende des Irakkriegs, Heimkommen, Kriegsmüdigkeit – das war das Erbe der Bush-Ära und prägte die erste Amtszeit Barack Obamas. Parolendonner von Fake-News, Mauerwahn und "America first" entzieht sich offenbar seriellem Vorstellungsvermögen.

Als Produkt mit Ablaufdatum erwies sich die Serie schon nach drei Staffeln. Allzu redundant wurden Verschwörung, Intrige, Verstrickung und vor allem die psychischen Probleme der Hauptdarstellerin durchinszeniert. Nach gefühlt 320 bipolaren Störfällen der Hauptakteurin darf es dann auch einmal genug sein, selbst wenn diese stets mit Herzblut gespielt wurden und angeblich so überzeugend waren, dass Zuschauer anriefen und sich beschwerten: Eine solch labile Schauspielerin sei doch für eine Fernsehserie untragbar.

Screenshot Showtime

Lächerlich? Man würde es sich zu leicht machen. Homeland war stets am Puls der Zeit, und auch wenn manchmal etwas zu sehr auf die Tube gedrückt wurde, nahm man den Machern die Story ab – zu Zeiten Nicholas Brodys, aber auch danach, als die Serie etwa in New York und in Berlin spielte.

Vorausschauend spannend

In seinen besten Momenten war Homeland erhellend und zeigte verblüffendes Gespür, Entwicklungen vorwegzunehmen. 2014 wurde etwa der US-Soldat Bowe Bergdahl nach fünf Jahren aus der Gefangenschaft der Taliban befreit. In der fünften Staffel versuchte Carrie, in Berlin einen Anschlag zu verhindern, die Flüchtlingskrise bereitete den Boden.

Echtheit war immer Thema. Die Drehbücher zu Homeland entstehen in einem Team aus Crew, Cast und Insidern, verriet Showrunner Alexa Gansa in Interviews, und es muss schon ein echter Schock gewesen sein, als zur Serienpräsidentin Elizabeth Keane (Elizabeth Marvel) kein weibliches Pendant gewählt wurde, sondern Donald Trump sich ins Bild drängte. Die Drehbücher verlangten eine Adaption, auch das tat der Serie nicht unbedingt gut.

Das hängt auch damit zusammen, dass die investigativen Abläufe der Serie, Terrorabwehrbekämpfung mit halbkriminellen oder kriminellen Methoden plötzlich nicht mehr unvorstellbar erschienen. Entertainment Weekly fasste zusammen: "Es dürfte das einzige Mal sein, dass Homeland weniger bedrohlich wirkt als die Wirklichkeit."

Überhaupt hat das Genre Politdrama mit Donald Trump einen schweren Stand. Ein Blick auf die Serienbestellungen der großen Sender belegt Entpolitisierung, produziert werden beschwingte Beziehungsgeschichten en gros, zigfach Polizeiserien und Reboots, angefangen von Cagney & Lacey, Charmed, Conan, der Barbar und Magnum P.I. Politik kommt eher punktuell daher. So entwickelt The West Wing-Erfinder Aaron Sorkin The Politician über Aufstieg und Fall des demokratischen US-Senators John Edwards, der 2008 seine Kandidatur zur Präsidentschaftswahl nach Vorwürfen einer außerehelichen Beziehung zurückzog.

Was ist für die siebente Staffel von Homeland zu erwarten? Reine Spekulation: Am Anfang passiert eine kleine Katastrophe, die eine sehr große, drohende Katastrophe ankündigt und die es abzuwenden gilt. Carrie Mathieson wird geholt, soll es richten, was ihr alles abverlangen wird. Zu erwarten sind außerdem weitere Verwerfungen mit dem langjährigen Gefährten Saul (Mandy Patinkin, Foto) – archaischer Konflikt. Geht immer.

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Foto: AP/ JoJo Whilden

Hierzulande ist "Homeland" auf diversen Streamingdiensten abrufbar. Auf ATV 2 läuft derzeit montags die zweite Staffel. (Doris Priesching, 11.2.2018)