Vizekanzler Strache teilte "Wochenblick"-Berichte über die stellvertretende "Vice"-Chefin Hanna Herbst auf seinem privaten Facebook-Konto.

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Nach der Regierungsbildung war einige Wochen Ruhe im blauen Umfeld eingekehrt. FPÖ-Politiker sowie parteinahe und der Partei wohlgesinnte Plattformen wie "Unzensuriert.at", "Wochenblick" oder "Info-Direkt", die alle mehr oder weniger eng mit den Freiheitlichen verbunden sind, fuhren ihre Angriffe auf Journalisten spürbar zurück. Doch damit ist nun Schluss.

Seit einigen Tagen attackiert der oberösterreichische "Wochenblick" die stellvertretende "Vice"-Chefin Hanna Herbst, während der Ring Freiheitlicher Jugend Steiermark zum Cybermobbing gegen STANDARD-Journalistin Colette M. Schmidt aufrief. Martin Glier, Pressesprecher von Heinz-Christian Strache, verwies in einer Diskussion mit "Kurier"-Herausgeber Helmut Brandstätter auf einen namensgleichen illegalen Nazi. Verkehrsminister Norbert Hofer forderte ein Aus für GIS-Gebühren, was er in Zusammenhang mit seiner Nicht-Erwähnung in einem "ZiB"-Beitrag brachte.

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Soziale Medien als Katalysator

Viele der Angriffe folgen demselben Muster. Vermeintliche "Fehltritte" von Journalisten – entweder in ihren Artikeln oder in ihren privaten Social-Media-Accounts – werden im rechten Netz verbreitet, dann schreibt eine der FPÖ-nahen Plattformen einen Bericht darüber. Dieser wird anschließend von hochrangigen FPÖ-Politikern auf deren Facebook-Konten mit oft zehntausenden bis hunderttausenden "Fans" geteilt. Anschließend verbreitet sich der Text in Facebook-Gruppen weiter.

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"Wochenblick"-Texte über Hanna Herbst, die abwertend als "hübsche Hass-Hanna" bezeichnet wurde, teilten etwa Vizekanzler Heinz-Christian Strache (auf seinem privaten Facebook-Profil) sowie der FPÖ-Abgeordnete Christian Höbart und der Tiroler FPÖ-Chef Martin Abwerzger. Das dient als Katalysator für die Verbreitung der Artikel, es kommt meistens zu dutzenden Hasspostings. Andere Journalisten oder Bürger nehmen das zum Anlass, um den Betroffenen ihre Solidarität auszusprechen. Darüber wird dann oft ein neuer Artikel verfasst, der Kreislauf beginnt von vorne.

"Nicht mehr kritisch, sondern bösartig"

Im Gegensatz zu kritischer Medienberichterstattung würden die Texte der FPÖ-nahen Medien eine Grenze überschreiten, sagt "Reporter ohne Grenzen Österreich"-Präsidentin Rubina Möhring zum STANDARD: "Diese Grenze ist dort, wo es nicht mehr kritisch ist, sondern bösartig." So wird vor allem bei Journalistinnen oftmals auf das Aussehen der Betroffenen eingegangen.

Hanna Herbst ist laut "Wochenblick" etwa "an sich fesch" und "Blondine". Meist werden unvorteilhafte Fotos ausgewählt oder die journalistische Arbeit als "Geschreibsel" ("Unzensuriert.at" über "Profil"-Redakteurin Christa Zöchling) abgetan. Zöchling ging sogar juristisch gegen Hasspostings auf "Unzensuriert.at" vor. "Jetzt sind Frauen im Visier, weil man sie leicht runtermachen kann, ist doch die Zahl der Machos mit altmodischen Rollenbildern in dieser Gesellschaft eine hohe", sagt Möhring. "Wochenblick"-Online-Chef Johannes Schüller schrieb etwa Herbst direkt auf Twitter an, als ein neuer Text über sie veröffentlicht wurde.

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FPÖ-nahe Medien "präsentieren sich gottähnlich fehlerfrei"

Der Medienforscher Fritz Hausjell weist darauf hin, dass FPÖ-nahe Medien "in ihrer Medienkritik grundsätzlich andere FPÖ-freundliche Medien aussparen". Eine Stellungnahme der Objekte ihrer Berichterstattung holen die FPÖ-nahen Medien nur selten ein – laut Hausjell wäre dies aber ein weiterer Faktor, der eine journalistische Vorgehensweise auszeichnen würde. Auch Selbstkritik sucht man vergeblich, so Hausjell: Die FPÖ-nahen Medien "präsentieren sich gottähnlich fehlerfrei".

Der früher in der neonazistischen Vereinigung "Bund freier Jugend" aktive Stefan Magnet ist Gastautor bei "Wochenblick" und "Info-Direkt". Nach der Nationalratswahl schrieb Magnet dort, dass die FPÖ "bald die Möglichkeit" habe, "redaktionelle Sümpfe trocken zu legen. Die Vorfreude darauf ist wie so oft wohl die schönste Freude." Der "Wochenblick" brachte vergangenen Sommer gar ein ganzes Magazin über die "Lügenpresse" heraus.

Inserate und Interviews

Die FPÖ unterstützt "Info-Direkt" und den "Wochenblick" durch Inserate, außerdem stehen freiheitliche Politiker regelmäßig für Interviews bereit. Dazu kommen noch enger mit der FPÖ verbundene Plattformen wie "Unzensuriert.at", das aus einem Newsletter des Nationalratsabgeordneten Martin Graf hervorging. Der ehemalige "Unzensuriert.at"-Chefredakteur Alexander Höferl, der laut Vereinsregister noch Vizeobmann des dahinterstehenden Vereins ist, arbeitet mittlerweile als Kommunikationschef im Innenministerium. "Wochenblick"-Journalistin Nicole de Bernado wechselte ins Kabinett von Sozialministerin Beate Hartinger (FPÖ).

Weltweit Attacken auf Journalisten

Einschüchterungsversuche gegen Journalisten finden auch international vermehrt statt. US-Präsident Trump bezeichnete Journalisten als "Feinde des amerikanischen Volks". In Deutschland gibt es laut Hausjell "vor allem geprägt durch Pegida und die nun im Bundestag angekommene AfD ähnliche Phänomene". Repressive Maßnahmen gegen Journalisten sind besonders in der Türkei oder in Russland zu beobachten. Regelmäßig werden kritische Journalisten attackiert, oftmals mithilfe einer "Troll-Armee", die online Stimmung gegen Reporter macht. Orchestriert wurden Troll-Angriffe etwa über die kremltreue Jugendorganisation Nashi.

Kooperationsvertrag mit Putin-Partei

Investigative Journalisten schweben in Russland in ständiger Gefahr. Das hielt die FPÖ 2016 nicht davon ab, einen Kooperationsvertrag mit der Putin-Partei "Einiges Russland" abzuschließen. Dieser sieht unter anderem die "Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude" vor. Über die Reise wurde exklusiv in "Info-Direkt" berichtet.

"Drohungen sind völlig inakzeptabel"

"Angriffe auf Journalisten sind Angriffe auf das Recht der Bürger, informiert zu werden", sagt Möhring. Einschüchterungsversuche seien "erste Schritte zur Gleichschaltung der Medien".

Die Attacken auf Journalisten haben mehrere Effekte. Für die Betroffenen selbst sind sie oftmals eine psychische Belastung, die zu Selbstzensur führen kann – etwa, indem "heikle" Geschichten ausgelassen werden, um einem Shitstorm vorzubeugen. "Es darf nicht hingenommen werden, dass Journalisten in ihrer körperlichen Integrität bedroht werden, denn das wäre einer der Anfänge vom Ende des Journalismus", sagt Hausjell.

Natürlich müssten es Journalisten aushalten, selbst kritisiert zu werden – "aber Denunzierungen und Drohungen gegen Journalisten sind völlig inakzeptabel", so Hausjell. Hanna Herbst wurde etwa "eine Kugel zwischen die Augen" gewünscht. Die Journalistin hat nun eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht, in der sie über ein dutzend Hasspostings dokumentiert. Und FPÖ-TV soll schon vor einigen Jahren das Privathaus von Kurier-Chef Helmut Brandstätter abgefilmt haben.

Vertrauen abschwächen

Außerdem soll das Vertrauen der Leserschaft in den Journalismus abgeschwächt werden. Redakteure sollen als parteiisch wahrgenommen werden. "Zur Untermauerung der Behauptung, dass Journalisten mehrheitlich rot-grün seien, werden oft Ergebnisse von Betriebsratswahlen in Medienbetrieben herangezogen – doch das blendet aus, dass Arbeiterkammer- und Betriebsratswahlen fast immer deutlich anders als Nationalratswahlen ausgehen", erklärt Hausjell. Es habe "mit Journalismus" zu tun, dass kritisch über die Regierung oder einzelne Parteien berichtet werde.

Die FPÖ stellt kritische Medienberichterstattung aber oft als "FPÖ-Hass" dar. Walter Rosenkranz, der niederösterreichische Landesobmann der FPÖ, forderte von Journalisten etwa eine "Entschuldigung" beim nun zurückgetretenen niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer. Rosenkranz sprach von einer "Hexenjagd" und von "Inquisition". Die Berichterstattung führte jedoch dazu, dass ein Vereinsauflösungsverfahren und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Mitglieder der betroffenen Burschenschaft, deren Vizeobmann Landbauer war, eingeleitet wurden – und das unter einer Regierung mit Beteiligung der FPÖ.

Medienfreiheit

Natürlich sind auch andere Parteien nicht davor gefeit, Rechte von Journalisten zu beschneiden. Die ÖVP geriet etwa für ihr Aussperren von Pressefotografen in die Kritik. Die SPÖ lud wiederum "Profil" und "Presse", in denen die Silberstein-Affäre aufgedeckt wurde, nicht zu einem Pressegespräch ein. Und auch die Liste Pilz liefert sich etwa auf Twitter ab und zu Scharmützel mit Journalisten. Von konzentrierten, persönlichen Angriffen auf Journalisten, bei denen auch Parteianhänger mobilisiert werden, sind diese Parteien jedoch weit entfernt.

"Wichtig ist, dass darüber berichtet wird", sagt Möhring. Sie fordert Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf, den Koalitionspartner "zurückzupfeifen": "Es ist nicht nur Angelegenheit der FPÖ, sondern Kurz ist der 'Chef'." In einer Demokratie seien Angriffe auf Journalisten "fehl am Platz": "Diese müssen abgestellt werden." (Fabian Schmid, 8.2.2018)