Ein Wörthersee-Schicksal droht in keinem Fall. Da wehrt sich der Neusiedler See schon selber mit seinem Schilf.

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Eisenstadt – Der Neusiedler See ist einer jener spannenden Flecken, an denen sich die Gedanken des Naturschutzes, des touristischen Nutzens und des privaten Geldverdienens so nahe kommen, dass zuweilen die Funken fliegen. So wie jetzt gerade, da die raren Seezugänge einen kleinen Bauboom erleben.

In Oggau, in Breitenbrunn, in Jois, in Neusiedl am See, in Weiden, in Illmitz – dort befinden sich überall große Bauprojekte in der Umsetzung oder sind wie das neue Seerestaurant Fritz schon fertig. Lokale Bürgerinitiativen schreien Feuer, haben schon mehr als 2.000 Unterschriften gesammelt. Christian Schuhböck, Chef der an allerlei umweltpolitischen Fronten kämpfenden "Alliance for Nature", hat eine Studie erstellt.

Welterbe-Rute

Die Umweltschützer wollen die Projekte – teils handelt es sich um Seehotels, teils um Einzelhäuser – vor die Unesco bringen, die das Gebiet 2001 zum Weltkulturerbe erklärt hat. Und dieser Titel – die Wiener Innenstadt kann gerade ein diesbezügliches Lied singen – lässt sich gegebenenfalls auch wie eine Rute ins Fenster allzu überschießend spekulativer Investorenfantasien stellen. Auch die Vertreter der Feuchtgebietkonvention Ramsar warnen.

Tatsächlich geschieht am Neusiedler See gerade auch die Aufarbeitung eines gewissen touristischen Rückstaus. Die großen Ziel-1-Modernisierungen in den Seebädern sind auch schon wieder zwanzig Jahre alt. Im Zuge dieser Modernisierung werde allerdings auch versucht, ordentlich Kohle zu machen. Rudolf Golubich sieht, erzählte er im Herbst der "Wiener Zeitung", "eine noch nie dagewesene Verwirtschaftlichung".

No na, sagen viele. Immerhin hat sich das einst so bieder dahindämmernde Meer der Wiener zu einer fast hippen Freizeitlocation im Herzen der Twin-City-Region gemausert. Die Neusiedler Mole West ist zum gastronomischen und architektonischen Rolemodel geworden. Was der Steppensee mit seinem etwas seifigen Sodawasser immer wieder verweigert hat, ist aber das mondäne Strandfeeling. Für betuchtere Zeitgenossen wird das künftig anders werden. Luxusreihenhäuser mit direktem Seezugang, ja sogar mit Bootsliegeplatz, werden schon angeboten in Neusiedl, auch Oggau bietet Wohnen direkt am Wasser.

In und mit diesen Projekten spießt es sich tatsächlich. In den zuweilen holzhämmernden Naturschutzargumentationslinien geht ein wenig unter, dass die zahlreichen Projekte ja auf teilweise uralten Widmungsplänen und aufwendigen Genehmigungsverfahren beruhen. Eine allfällige Rückwidmung wäre wohl ein Eingriff in bestehendes Eigentum.

Die von der jeweiligen Gemeinde beschlossene, vom Land und seiner Naturschutz- und Raumplanungsabteilung abgesegnete Widmung umfasst allerdings in allen Fällen die Klasse BF – Bauland Fremdenverkehr.

Augenzwinkern

Ganzjährige Hauptwohnsitzer wären in einem so gewidmeten Gebäude eigentlich illegal. Eine jahrzehntelange Praxis – eher nicht am See, sondern an den meist von Esterházy betriebenen Badeseen – hat das meist augenzwinkernd und zum Nutzen beider akzeptiert. Die jeweiligen Immobilienentwickler kommunizieren die neuen Objekte nun dementsprechend.

Dafür, dass dem See der Welterbestatus aberkannt werden könne, sieht die Naturschutz-Landesrätin Astrid Eisenkopf (SP) "keine, auch nur im Ansatz erkennbare Gefahr". Das Thema Verbauung werde im demnächst zu erstellenden Managementplan außerdem eine größere Rolle spielen. Aber, das sagt sie auch, "man muss auch Entwicklungen zulassen".

Die Grünen klangen davon nicht überzeugt. Eisenkopf solle, mahnte die pannonische Grünen-Chefin Regina Petrik, streng, "Schluss machen mit der Heile-Welt-Politik". Das Seeufer drohe nämlich immer mehr verbaut zu werden. (Wolfgang Weisgram, 9.2.2018)