Studien sollten nicht zu stark spezialisieren, sagt Bildungs- und Wissenschaftsminister Heinz Faßmann. Denn dann sei man "zu spezialisiert, tut man sich schwer, Veränderungen zu bewältigen.

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STANDARD: Sie haben an der Uni Wien studiert. Würden Sie heute studieren, wäre das vielleicht an einer Fachhochschule?

Faßmann: Ich kann mein Leben nicht noch mal aufrollen, aber ich habe inzwischen die Vorzüge der Fachhochschulen zu schätzen gelernt, etwa bei meiner Tätigkeit im Aufsichtsrat der FH Campus.

STANDARD: Was hat Ihnen gefallen?

Faßmann: An der Uni ist der Studienablauf offen, man kann selbst entscheiden, ob man zur Vorlesung geht oder länger schläft. Die FH ist verschulter, das bringt Struktur in ein Studentenleben.

STANDARD: Bildungsexperten kritisieren diese Verschulung: So ein System mache unselbstständig und bereite nicht auf die Wissensgesellschaft vor, in der es eigene Ideen braucht. Was entgegnen Sie?

Faßmann: Die Meinung teile ich nicht. Ich beobachte, dass bei vielen Studierenden mit dem Alter auch mit dem Studienfortschritt die Selbstständigkeit zunimmt.

STANDARD: Die Regierung will den FH-Sektor ausbauen. Ziel ist ein Verhältnis von 60 Prozent Studierenden an FHs und 40 Prozent an Unis. Mit welchen Maßnahmen will man das erreichen?

Faßmann: Zur Weiterentwicklung braucht es Ressourcen, und dafür setze ich mich natürlich ein. Wir haben derzeit 182.000 aktive Studierende an Unis und 52.000 an den FHs. Das Ziel dieser Legislaturperiode ist, die Zahl der FH-Studierenden auf 60.000 zu erhöhen, also auf 30 Prozent. Das halte ich für machbar.

STANDARD: Heuer gibt es Verhandlungen des Entwicklungs- und Finanzplans der FHs. Wie wird sich das Budget also entwickeln?

Faßmann: Wir sind derzeit – so wie alle Ressorts – in Verhandlungen und haben unsere Forderung dem Finanzminister übermittelt. Genaueres kann ich nicht sagen.

STANDARD: Ist da auch das von der Fachhochschulkonferenz geforderte Forschungsbudget enthalten?

Faßmann: Ja, allerdings werden die kompetitiv vergebenen Forschungsmittel erhöht und nicht das Budget pro FH aufgestockt.

STANDARD: Eine weitere Maßnahme ist auch, Unifächer an FHs anzubieten, etwa Jus oder Dolmetschen.

Faßmann: Jus ist kein Thema. Bei Dolmetschen planen beispielsweise Uni Wien und Fachhochschule Campus einen Studiengang, der moderne Kommunikationstechnologien mit Übersetzungstechnik kombiniert.

STANDARD: Wie stehen Sie zu solchen Kooperationen – schließlich ist eine häufige Kritik, dass sich Unis und FHs zu sehr angleichen?

Faßmann: Kooperationen sind sehr zu begrüßen, aber es sollte kein Rollentausch stattfinden.

STANDARD: Wie gelingt es dann, dass die Uni wieder Uni und die FH wieder FH wird?

Faßmann: Ich mache mir um die beiden Institutionen keine Sorgen. Ich habe die Rektorate an den Hochschulen kennengelernt, die wissen schon, um was es geht: ein klares Profil mit einem spezifischen Ausbildungsangebot.

STANDARD: Klar ist auch die Durchführung der Promotion, die derzeit bei den Unis liegt. Sie haben Doktoratsstudien an FHs bereits ausgeschlossen. Warum?

Faßmann: Üblicherweise geht man an eine FH, um nachher zu arbeiten, nur drei Prozent promovieren. Unis sind auf Forschung ausgelegt. Hier braucht es aber dennoch eine bessere Zusammenarbeit und eine entsprechende Durchlässigkeit. Wichtig wäre etwa, dass man weiß, mit welchem FH-Studium man welches Doktoratsstudium an der Universität belegen kann.

STANDARD: Das Regierungsprogramm sieht auch Privat-FHs vor. Was ist damit gemeint?

Faßmann: Jede FH ist gewissermaßen privat. Das Regierungsprogramm sieht aber auch die Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Einrichtung von Privat-FHs vor. Wie das genau aussehen kann, damit werden wir uns noch intensiv beschäftigen.

STANDARD: Neue Berufsbilder entstehen immer schneller. Müssten Hochschulen zügiger beim Einführen neuer Studien sein?

Faßmann: Zu schnell sollten wir auch nicht sein und auf jeden Hype reagieren. Trends brauchen eine gewisse Reife, bevor sie zum Studium werden. Bildet man nur für den Bedarf von morgen aus, wird das Wissen durch die nächste technologische Neuerung entwertet. Wir müssen an das Übermorgen denken, brauchen eine breite theoretische Ausbildung.

STANDARD: Also nicht zu stark spezialisieren? Weil genau in diese Richtung geht es derzeit.

Faßmann: Spezialisierung hilft, einen Job zu finden. Ist man zu spezialisiert, tut man sich schwer, Veränderungen zu bewältigen. Es ist eine Frage der Balance. (Lisa Breit, Selina Thaler, 11.2.2018)