Sie meinen es schon wieder böse mit ihm. Wenn es um die FPÖ geht, echauffiert sich Heinz-Christian Strache, sei offenbar alles erlaubt, bis hin zur Lüge. In Rage gebracht haben ihn Medienberichte, die jenen Kabelsalat, der unlängst im Büro des Vizekanzlers gefunden wurde, eher als alten Krempel einstufen denn als funktionstüchtige Wanze. Die Bagatellisierung eines "Abhörskandals" nennt das Strache.

Der Wiener Verfassungsschutz ist noch dabei, die Causa zu prüfen. Doch egal, was rauskommt, seine Geschichte hat der FP-Chef längst erzählt: H.-C. Strache gegen die geballte Meinungsmache – mit dem Volk an seiner Seite. "Die Österreicher", postete er auf Facebook, "glauben diesen Systemmedien sowie nichts mehr."

Alles nur Theater? Wer sich mit FPÖlern unterhält, dem schlägt auch dann Empörung entgegen, wenn es gerade kein Posting abzusetzen gilt. "Ihr verreißts uns doch dauernd", sagt ein Funktionär aus dem Führungsapparat, "manche Medien führen einen Jihad gegen uns." Berichterstattung sei Belehrung gewichen, so die Klage, systematisch würden Freiheitliche mit Meuchelfotos abgebildet, in Sachfragen ignoriert und mit strengerem Maß gemessen. Kurzum, Feindseligkeit auf allen Linien: "80 Prozent der politischen Journalisten sind Linke."

Lothar Höbelt bietet dazu eine These an. Mit der 68er-Generation sei der Mainstream an den Unis von rechts nach links gekippt, urteilt der FPÖ-affine Historiker, und dies schlage eben auf den Journalismus durch: "Ich finde es ja kurios, wenn Strache über den Rotfunk schimpft. Wäre der ORF das wirklich, würde das einen Rechtsruck bedeuten."

Linkslastige Redaktionen

Über das Ausmaß lässt sich streiten, doch Hirngespinst ist das Übergewicht wohl keines. Diverse Studien – eine ältere in Österreich, jüngere in Deutschland – attestieren Redaktionen in der Tat Linkslastigkeit, sofern man Grünsympathisanten per se eine solche unterstellen will. Dass die persönliche Haltung besonders gehäuft in Berichten durchblitzt, die sich der FPÖ widmen, kann einem schon so vorkommen – und ein Hang zur Selbstreflexion ist nicht eben die unter Journalisten am meisten verbreitete Eigenschaft.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kritisiert die "Systemmedien". Nicht nur er.
Foto: APA / Roland Schlager

Doch wer von "Systemmedien" spricht, behauptet ja viel mehr: die absichtliche Manipulation im Dienste einer höheren Macht – oder, um die Definition eines Milieus wiederzugeben, in dem dieser Begriff en vogue ist: Die "Systempresse", heißt es in der rechtsextremen Online-Enzyklopädie Metapedia, stütze das bestehende System "durch Propaganda, Zensur und politische Korrektheit".

Der Vorwurf ist keine Erfindung der zeitgenössischen Rechten. Die"Lügenpresse" geisterte bereits im 19. Jahrhundert durch die Debatten, die Ausformung "Systempresse" hatte – Achtung: Nazikeule! – in den Dreißigerjahren Konjunktur: als Kampfbegriff der Nationalsozialisten gegen Weimarer Republik und "Ständestaat".

Kein Platz für unabhängige Instanzen

Eliten, die sich gegen das Volk verschwörten: Dies sei die Story, die auch die Rechtspopulisten von heute erzählten, sagt der Kulturwissenschafter Walter Ötsch. Unabhängige Instanzen wie Experten oder eben Medien, wie sie eine Demokratie ausmachten, hätten in dem Gut-Böse-Bild keinen Platz – "und werden diskreditiert".

"Das ist eine klassische Strategie, um mit dem Opfermythos zu spielen und Anhänger gegen klassische Medien zu immunisieren", erzählt Stefan Petzner. "Je kritischer berichtet wird, desto mehr halten das die Leute dann für Propaganda."

Petzner muss es wissen. Als Spin-Doctor Jörg Haiders hat er gegen unliebsame Medien einst "regelrecht kampagnisiert"; heute verhehlt er nicht, dass Propaganda dieser Art "demokratiepolitisch gefährlich" sei. Dies gelte unter Strache aber viel mehr als unter Haider, zumal die FPÖ nun eine echte Alternative anbieten könne: eine mediale Parallelwelt aus Onlinekanälen und -plattformen ohne lästiges Korrektiv.

Bei Fans zieht die Geschichte von den Marionetten des Systems also – doch glauben die Erfinder diese auch selbst? Petzner muss auflachen, als er daran denkt, wie er Redaktionen nicht nur als "vertrottelt", sondern auch als rot-schwarze Handlanger gebrandmarkt hatte: Nein, in dieser Form habe er daran nicht geglaubt.

Nachfragen im aktiven FPÖ-Kader vermitteln ein anderes Bild. Es sei wie in der DDR, wo jeder auch ohne Befehl gewusst habe, welche Meinung erlaubt ist, sagt ein Blauer, ein anderer lehnt ein Gespräch mit der Begründung ab: "Sie dürfen sowieso nicht schreiben, was ich zu sagen habe." (Gerald John, 11.2.2018)