Ein Riffbarsch der Gattung Pomacentrus sucht Schutz in einer Geweihkoralle (Indonesien).

Foto: Elyne Dugény, Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung

Bremen – Dass Angehörige einer Gemeinschaft Wache schieben, während sich der Rest anderen wichtigen Aufgaben wie etwa der Nahrungssuche widmet, kennt man im Tierreich vor allem bei Säugetieren und Vögeln, aber auch einigen Insektenarten. Bei Fischen, die in Gruppen leben, war ein solches Verhalten bisher dagegen noch kaum bekannt. Forscher des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) haben jetzt nachgewiesen, dass offenbar auch unter Korallenfischen einzelne Artgenossen für die Familie nach Feinden Ausschau halten.

Unter den Riffbarschen gibt es Arten, die sich in enger Nachbarschaft von verzweigten Steinkorallen aufhalten. Sie umschwärmen diese und suchen Schutz zwischen ihren Ästen, sobald Gefahr droht. Auch die Koralle profitiert von ihren Untermietern. Durch Fächeln sorgen die Riffbarsche für eine bessere Wasserzirkulation sowie den Zu- und Abtransport von Sauerstoff. Korallen, die mit Riffbarschen zusammenleben, können dadurch deutlich schneller wachsen.

Kleine und große Demoisellen

Diese Symbiose wollten Sebastian Ferse, Riffökologe am ZMT, und sein Team genauer bei Zitronen-Demoisellen (Pomacentrus moluccensis) untersuchen. Dabei konnten sie beobachten, dass sich die großen, ausgewachsenen Exemplare bei Gefahr anders verhielten als die kleineren, jungen Fische, wie sie nun im Fachjournal "Environmental Biology of Fishes" berichten.

Im Gebiet der "Tausend Inseln", das zu Indonesien gehört, filmten die Forscher an vier verschiedenen Standorten unter Wasser Steinkorallen, in denen sich Riffbarsche aufhielten. Zusätzlich legten sie getrocknete Tintenfischhappen aus, um Räuberfische anzulocken, und untersuchten weitere Faktoren, die bedrohlich für die Barsche sein können.

"Wächterfische" in größerer Distanz

Bei der Auswertung des Videomaterials zeigte sich, dass die Fische bestimmte Situationen als besonders gefährlich wahrnahmen. So verschwanden vor allem die jungen Tiere tiefer in der Koralle, wenn das Wasser trüb war und nahende Fressfeinde, wie Schnapper, Zackenbarsche oder Kaiserfische, nicht sofort ausgemacht werden konnten. Hielten sich fressende Räuber in der Nähe auf, positionierten sich die ausgewachsenen Fische jedoch in relativ großem Abstand zur Koralle.

"Mit diesem Verhalten können die größeren Zitronen-Demoisellen ihre Feinde besser wahrnehmen. Nähert sich ein solcher, ziehen sie sich blitzschnell zurück in die Koralle. Dadurch warnen sie ihre unerfahreneren, kleineren Artgenossen", erklärt Ferse. Die Jungen spüren den Rückzug der Großen vermutlich über ihr Seitenlinienorgan, mit dem Fische Wasserbewegungen registrieren. Möglicherweise geben die "Wächterfische" auch Alarmrufe ab, wie sie bei Clownfischen bereits nachgewiesen wurden.

Enge Familienbande

"Ein derart selbstloses Verhalten lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass die Mitglieder einer Gruppe eng verwandt sind", so Ferse. Wenn Riffbarsche laichen, treibt die Wasserströmung die Larven fort. Die jungen Riffbarsche sind jedoch in der Lage, erstaunlich gut wieder zu ihrer heimatlichen Koralle zurückzufinden. Möglicherweise bestehen also tatsächlich enge Familienbande zwischen den Bewohnern einer Koralle. Hier können molekulargenetische Untersuchungen Aufschluss über die Verwandtschaftsverhältnisse geben. (red, 12.2.2018)