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Schreien hilft, wenn man vor lauter Freude nichts sagen kann. Rodel-Olympiasieger David Gleirscher machte von dieser Strategie Gebrauch, ehe er dann doch Worte fand, sein Glück zu beschreiben.

Foto: REUTERS/Arnd Wiegmann

Pyeongchang – "Ich bin sprachlos. Was da gerade passiert ist, ist reiner Wahnsinn", sagte David Gleirscher, nachdem er seine erste Emotion durch Schreie losgeworden war. Der 23-jährige Olympiadebütant aus Fulpmes im Stubaital, der noch nie auf dem Podest eines Weltcuprennens stand und sich als letzter Athlet des Rodelverbands für Pyeongchang qualifiziert hatte, setzte einen bemerkenswerten Erfolgslauf mit dem bestmöglichen Ergebnis fort. Seit 1992 und damit zum achten Mal en suite haben Rodlerinnen und Rodler des ÖRV bei Winterspielen zumindest eine Medaille herausgefahren. Der letzte Olympiasieg eines Herrn datierte jedoch aus dem Jahr 1968, als der Steirer Manfred Schmid in Grenoble zu Gold raste.

Loch scheitert

Gleirscher, nach den ersten beiden Läufen auf der kniffligen Bahn des Olympic Sliding Centre zu Pyeongchang Zweiter, behielt im Finale als einziger Fahrer in der Spitze vollumfänglich die Nerven. Weggeschmissen hat sie dagegen der beste Rodler der vergangenen Dekade. Der Deutsche Felix Loch, nur nach dem ersten Lauf hinter Gleirscher und dann scheinbar unaufhaltsam unterwegs zum olympischen Hattrick nach Gold in Vancouver und Sotschi, brachte seine Führung nicht ins Ziel.

Ja, der 28-jährige Thüringer, der es seinem Mentor Georg Hackl also nicht gleichtun konnte, fiel auf den fünften Rang zurück. Hinter Gleirscher raste der US-Amerikaner Chris Mazdzer ebenso überraschend zu Silber. Johannes Ludwig hielt mit Bronze die deutsche Niederlage in Grenzen.

Vorfreude statt Druck

Nach Mazdzers Bahnrekord im dritten Lauf schien Gleirscher bequem auf Bronzekurs, zweimal vierte Zeit bei Schneefall und deutlich nachlassender Bahn reichte am Sonntagabend schließlich für noch viel mehr. "Mit dem habe ich nicht gerechnet. Ich habe heute in der Früh mehr Vorfreude als Druck verspürt, habe versucht, nicht daran zu denken, dass ich auf Medaillenkurs bin, das hat super funktioniert. Ich hätte nicht geglaubt, dass dem Felix noch so ein Fehler passiert, es tut mir sehr leid für ihn. Ich habe es bis zum Schluss nicht glauben können, und ich werde sicher noch einige Zeit brauchen um das zu realisieren", sagte der Champion, nachdem er doch Worte für das Unglaubliche gefunden hatte.

Die ziemlich hinterlistige Bahn im Olympic Sliding Centre von Pyeongchang und der Stubaier David Gleirscher kamen schon immer gut miteinander aus.
Foto: APA/EPA/DIEGO AZUBEL

Doppelweltmeister und Mitfavorit Wolfgang Kindl, nach dem ersten Tag schon aus dem Rennen um die Medaillen, war Gleirschers erster Gratulant. Platz neun schmerzte in diesem Moment nicht dramatisch. "Dank David haben wir allen Grund zu feiern. Ich bin sein Zimmerkollege, für mich war es eine Ehre, ihm als Erster gratulieren zu dürfen", sagte der 29-jährige Innsbrucker, für den die dritten Olympischen Spiele nicht die letzten gewesen sein sollen. Der dritte Österreicher im Bewerb, Reinhard Egger, landete auf Platz 15.

ÖRV-Sportdirektor Markus Prock, zwar zweimal solo Weltmeister, aber wegen Kollege Hackl nie Olympiasieger, hat Gleirscher die Sensation durchaus zugetraut: "Wir haben gewusst, dass wir bei den Herren in Richtung Podium fahren können. David ist sehr schnell in der Bahn und hat extreme Nervenstärke bewiesen."

Sieger aus drei

Tatsächlich hatte sich der Olympiasieger nicht unbedingt im Weltcup, aber mit Spitzenzeiten während der internationalen Trainingstage auf der neuen Bahn in Südkorea für die Spiele empfohlen. Bei der Generalprobe im Vorjahr hatte er sogar vorübergehend Bahnrekord fixiert. Schlussendlich war es eine Bauchentscheidung von Chefcoach René Friedl, ihn, aber nicht Bruder Nico Gleirscher (20) oder Armin Frauscher, den Zweiten des Weltcups von Königssee, nach Pyeongchang mitzunehmen.

Der deutsche Erfolgstrainer wirkte nach dem Triumph ungemein gefasst. "Es braucht Zeit, um verdaut zu werden. Der David war unser Joker. Jetzt ist er der beste Rodler der Welt", sagte der 50-Jährige, der schon seit 2006 in Österreich wirkt.

Kurve neun

Das stimmt in jedem Fall für die Olympiabahn mit ihrer berüchtigten Kurve neun, die wegen ihres Schnitts geradezu Fehler herausfordert. "Die Bahn ist sehr selektiv. Da hat jeder seinen Wackellauf", sagte Friedl. "Der David hat im zweiten aber nur leicht gewackelt." Gekämpft hat der Olympiasieger mit den Tränen. Vor sieben Monaten wurde der Polizeischüler Vater eines Sohnes.

Dessen Großvater, Gerhard Gleirscher, gewann 1997 bei der WM in Igls Bronze im Einsitzer und Gold mit dem Mixed-Team. Die Anlagen von Leon Gleirscher sind also höchst vielversprechend. (Sigi Lützow aus Pyeongchang, 11.2.2018)

Rodeln, Einsitzer Herren (nach vier Läufen):

1. David Gleirscher (AUT) 3:10,702 Minuten
(47,652 Sek./47,835/47,584/47,631)
2. Christopher Mazdzer (USA) +0,026 Sekunden
3. Johannes Ludwig (GER) +0,230
4. Dominik Fischnaller (ITA) 0,232
5. Felix Loch (GER) 0,266
6. Samuel Edney (CAN) 0,319
7. Kevin Fischnaller (ITA) 0,352
8. Roman Repilow (OAR) 0,406
9. Wolfgang Kindl (AUT) 0,431
10. Andi Langenhan (GER) 0,731

Weiters:
15. Reinhard Egger (AUT) 1,225