Schicksalswahl einer Parteichefin: Ingrid Felipe erklärt die Regierungsbeteiligung in Tirol zum grünen Wahlziel.

Foto: Florian Lechner

STANDARD: Im Wahlkampf setzen Sie auf das Thema Umweltschutz – als Rückbesinnung auf alte Werte?

Felipe: Wir konnten in den vergangenen fünf Jahren sehr viele Umwelt- und Klimaschutzthemen vorantreiben. Der Schutz der Kalkkögel, die Ausweisung der Isel als letzter frei fließender Gletscherfluss oder die Tarifreform im öffentlichen Verkehr, das ist die grüne Handschrift in der Landesregierung. Die zeigt sich auch beim massiven Umdenken, das nun im Kampf gegen den Transit passiert ist. Die Forderungen nach Korridormaut und Lkw-Obergrenze, die nun erfreulicherweise auch der Landeshauptmann mitträgt, haben wir Grüne schon vor Jahren in der Opposition gestellt. Den Lufthunderter und das sektorale Fahrverbot haben wir als Regierungspartner gegen Widerstand aus der ÖVP durchgesetzt.

STANDARD: Haben Sie beim Thema Transit nicht das Gefühl, dass Ihnen die ÖVP das nun kurz vor der Wahl aus der Hand gerissen hat?

Felipe: Im Gegenteil, ich bin sehr froh darüber, dass der Landeshauptmann und die ÖVP umgedacht haben. In den vergangenen fünf Jahren war ich meistens allein unterwegs, um zu diesem Thema zu verhandeln. Ziel war es, die Nationalstaaten an den Verhandlungstisch zu bringen, das ist in München gelungen. Leider ist dabei noch nicht viel weitergegangen. Wichtig ist nun, eine Mauthoheit am Brenner herzustellen. Ich bin dazu bereits mit Experten im Gespräch, um herauszufinden, wie man einen Mautkorridor einrichten könnte, weil es sich um eine sensible Alpenregion handelt. Die neue Wegekostenrichtlinie birgt die Chance dafür.

STANDARD: Im grünen Wahlprogramm, das die Basis mitformuliert hat, steht die Halbierung des Transits. In den letzten fünf Jahren ist er ständig gestiegen, wie soll das plötzlich funktionieren?

Felipe: Das wird nicht in der nächsten Legislaturperiode umsetzbar sein, aber wir müssen den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen. Da kann man nicht diejenigen in die Regierung lassen, die sagen: Wir fahren jetzt wieder 140 und erhöhen die Achslastzahlen. Das wäre der Rückwärtsgang. Daher ist es wichtig, dass wir weiterarbeiten dürfen.

STANDARD: Sie wollen wieder mitregieren. Haben die Grünen als Juniorpartner der ÖVP und zum Ärger ihrer Basis nicht inhaltlich sehr viele Federn lassen müssen?

Felipe: Ein Wahlerfolg wäre für uns, wieder in der Regierung zu sitzen. Klar, wir hatten uns viel vorgenommen und konnten nicht alles umsetzen. Unsere zwölf Prozent gegen die 40 Prozent der ÖVP – das ist eine Frage der Kräfteverhältnisse in der Demokratie. Aber ich denke, wir haben viel erreicht.

STANDARD: Aber haben Sie das Gefühl, die Grünen gehen gestärkt aus dieser Koalition heraus?

Felipe: Wir bekommen positive Rückmeldungen. Dass wir Opposition können, wussten ja viele schon. Die Regierungsbeteiligung war eine Stärkung für uns, weil wir damit gezeigt haben, dass wir auch das können. Natürlich müssen wir um jede Stimme kämpfen, um wieder stark genug für eine Koalition zu sein. Herr Platter wird sich den künftigen Partner aussuchen können. Denn mit den Grünen zu regieren hat der ÖVP nicht geschadet.

STANDARD: Im Wahlprogramm sind die Grünen gegen praktisch jedes Wasserkraftwerk, gegen fossile Energie, und auch Windkraft sieht man skeptisch. Wie wollen Sie das gegenüber der ÖVP durchsetzen?

Felipe: Die ÖVP hat sehr unterschiedliche Flügel, und wir wollen in Tirol auf Solarenergie setzen. Dazu muss man nur nach Bayern schauen, wo man das geschafft hat. Wasser ist in Tirol eine sehr begehrte Ressource, daher sollten wir nicht jeden Bach anzapfen. Denn es gibt auch hier, etwa auf dem Sonnenplateau in Ladis, bereits Gebiete mit Wasserknappheit. Das hat auch mit dem Tourismus, Schneekanonen und solchen Dingen zu tun. Aber bei der Energie- und Wärmegewinnung wollen wir künftig voll auf Solar bauen.

STANDARD: Der Tourismus verlangt nach neuen Liften. Gibt es die mit den Grünen in der Regierung?

Felipe: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir in Tirol genug Skigebietsflächen haben. Man kann die Qualität verbessern, aber mit dem Ausbau muss Schluss sein. Wir müssen auf Alternativen wie Skitourengeher setzen. Dazu brauche ich keinen Lift, da reicht ein Schild, um zu steuern.

STANDARD: Sie wollen keine weiteren Kürzungen bei der Mindestsicherung mittragen. Bei einer Bundeslösung werden Sie das müssen.

Felipe: Der Kompromiss bei der Verschärfung in Tirol war eine der schwierigsten Entscheidungen für uns in dieser Legislaturperiode. Wenn nun die schwarz-blaue Bundesregierung ein Gesetz gegen den Willen der Länder verabschieden würde, wäre das verfassungswidrig. Daher ist es wichtig, dass jemand in der Landesregierung sitzt, der so etwas blockiert. Wir garantieren, dass es mit uns keine Kürzungen mehr gäbe.

STANDARD: Wie wichtig ist diese Wahl für die Zukunft der Grünen?

Felipe: Es war ein sehr schwieriges, aber auch lehrreiches Jahr für mich. Ich glaube, viele Menschen hätten vieles anders gemacht, wenn sie gewusst hätten, wie der 15. Oktober ausgeht. Die nächste Chance dafür ist der 25. Februar. Denn die Lektion, die ich und viele andere gelernt haben, ist, was passiert, wenn man taktisch wählt. Wenn man glaubt, man wählt die SPÖ, um Schwarz-Blau zu verhindern, und dann wacht man trotzdem mit Schwarz-Blau und ohne Grüne auf. Ich glaube, heute würden viele anders wählen. (Steffen Arora, 12.2.2018)