Sechs- bis zehnmal im Jahr muss Elisabeth K. zum AMS. Das sei eine "reine Gesichtswäsche", meint sie. Sie schreibe trotzdem weiter Bewerbungen, mit einer positiven Rückmeldung rechnet sie nicht.

Foto: Jakob Pallinger

Wien – Die Wohnung wirkt wie ein kleines Antiquariat: An den Wänden hängen Bilder von Heiligenfiguren und Landschaften in hölzernen Rahmen, im Wohnzimmer steht ein großes Regal mit Büchern, Der Staat von Platon und ein Buch über Gustav Klimt liegen dort. "Lesen habe ich schon immer geliebt", sagt Elisabeth K. (Name von der Redaktion geändert), die an dem schmalen Tisch neben der Couch Platz genommen hat und sich mit einem Finger die blond-goldenen Locken aus dem Gesicht streicht.

So sehr liebt sie Bücher, dass sie ihre Leidenschaft zum Beruf machte. 1980 absolvierte sie eine Buchhandelslehre und arbeitete als Buchhändlerin bei Kravani und Buchaktuell in Wien, später betreute sie Archive bei Verbänden und Datenbanken. "Ich habe viel ausprobiert und Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen gesammelt. Aber das interessiert heute keinen mehr", sagt Elisabeth K. und seufzt.

Seit vier Jahren ist die 56-Jährige als arbeitslos gemeldet und gilt daher in Österreich als Langzeitarbeitslose. In diese Kategorie fallen jene Menschen, die über ein Jahr durchgehend arbeitslos gemeldet waren, laut AMS waren dies Ende Jänner dieses Jahres 55.000 Personen von insgesamt 455.000 Arbeitslosen. Betroffen seien vor allem ältere Arbeitskräfte, Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Geringqualifizierte, schreibt das AMS.

Buchhandel körperlich anstrengend

Elisabeth K.'s letzte Station war eine Anstellung bei der Buchhandlung Morawa, wo sie sich um den Verkauf und die Lagerung kümmerte. "Buchhandel klingt für viele romantisch, aber Bücher ständig von einem zum anderen Ort tragen zu müssen, kann körperlich sehr anstrengend sein", erklärt sie. Nach einem Streit mit der Geschäftsführung fühlte sich Elisabeth K. nicht mehr erwünscht und kündigte. Dass sie danach überhaupt keinen Job mehr finden würde, hätte sie sich nicht gedacht. "Ich bin seither im Leben stehengeblieben."

Elisabeth K. in ihrer Wohnung in Wien.
Foto: Jakob Pallinger

Aus einem Folder kramt Elisabeth K. einige Zettel hervor und breitet sie auf dem Tisch aus: Bewerbungsschreiben. Gefühlt hunderte habe sie schon geschrieben, sagt sie. Die Antworten seien immer die gleichen: "Vielen Dank für Ihr Interesse, aber leider haben wir andere Bewerber/innen mit treffenderen Qualifikationen gefunden." Auf viele Bewerbungen bekomme sie erst viele Monate später eine Antwort, auf manche überhaupt keine.

Früher sei sie bei Absagen regelmäßig eingeknickt. "Ich habe gedacht, ich kann doch nicht plötzlich zu dumm für alles sein", erzählt Elisabeth K. Heute glaubt sie, dass es zumindest auch etwas mit ihrem Alter zu tun hat: "Aus Firmen habe ich schon öfter gehört, dass es die strikte Anweisung gibt, niemanden über 49 einzustellen." Und je länger man aus dem Berufsleben draußen sei, umso unattraktiver sei man für den Arbeitgeber, weiß die frühere Buchhändlerin.

Teure Arbeitnehmer

"Bei den Firmen ist die Akzeptanz, Ältere einzustellen, gleich null", bestätigt Martin Mair, Obmann des 2009 gegründeten Vereins "Aktive Arbeitslose", der sich als Lobby für arbeitslose Menschen in Österreich versteht. Durch die Kollektivverträge kämen die Arbeitnehmer zu teuer. Da helfe auch ein Projekt wie die Aktion 20.000 wenig, bei dem Arbeitnehmer meist nur für die Dauer der Förderung angestellt werden, meint Mair. Er kommt dabei schnell zu den großen Themen: Es bräuchte eine insgesamt reduzierte Arbeitszeit, womöglich ein bedingungsloses Grundeinkommen, besonders im Zeitalter von Automatisierung, ist Mair überzeugt.

So weit wird es für Elisabeth K. nicht mehr kommen. Vier Jahre müsse sie noch durchhalten, dann könne sie in Pension gehen. "Wenn nichts kommt, kommt nichts. Was soll man da tun?" (Jakob Pallinger, 12.2.2018)