Amazonenkärpflinge kommen ausschließlich als weibliche Klone vor. Da sie nur positive Mutationen zulassen, ist ihre Existenz gesichert.
Foto: Manfred Schartl

Würzburg/Wien – Der Name dieser Fischart wurde gut gewählt: Amazonenkärpflinge, die in Bächen zwischen Texas und Mexiko leben, sind kleine Fische, die Männchen abgeschafft haben. Ihr Name bezieht sich auf den griechisch-antiken Mythos vom kriegerischen Reitervolk der Amazonen, die ihre Söhne töteten.

Amazonenkärpflinge sind noch ein wenig radikaler: Sie bringen erst gar keine männlichen Nachkommen mehr hervor. Eine solche Vermehrung durch Jungfernzeugung, die wissenschaftlich Parthenogenese genannt wird, kommt bei Wirbeltieren nicht allzu oft vor: Es gibt ein paar Dutzend Reptilien- und Fischarten, die für die Erzeugung von Nachwuchs keine Männchen brauchen, etwa einige Rochenarten.

Erst 1932 erstmals beschrieben

Die Amazonenkärpflinge, deren Sexualverhalten erst 1932 entdeckt wurde, sind aber unter diesen Ausnahmen von der Regel noch einmal eine Ausnahme, da sie nicht völlig auf Kopulationen mit Männchen verzichten: Sie treiben es einfach mit Männchen zweier anderer Kärpflingsarten, aus denen die Amazonenkärpflinge vor 100.000 bis 200.000 Jahren als Hybride hervorgingen.

Die artfremden Samenzellen, die dabei ins Spiel kommen, verschmelzen jedoch nicht mit den Eizellen, was biologisch "Pseudogamie" genannt wird: Die väterliche DNA wird wieder aus der Eihülle geworfen. Damit nicht genug, gibt es unter den Amazonenkärpflingen auch noch "Transvestiten": Weibchen imitieren das Verhalten von Männchen und verführen damit andere Weibchen.

Mehrfaches biologisches Faszinosum

Für Biologen sind Tierarten wie die Amazonenkärpflinge, die "nur" Klone in die Welt setzen, aus verschiedenen Gründen interessant: So lässt sich an den Klonen untersuchen, welche Rolle die Epigenetik und die Umwelt bei der Ausprägung individueller Merkmale spielen. Amazonenkärpflinge sind für die Evolutionsbiologie aber schlicht und einfach auch deshalb faszinierend, weil sie nach mehr als 100.000 Jahren als Art immer noch existieren. Denn im Normalfall führt das ständige Klonen von Klonen früher oder später zu Gendefekten, die sich nach und nach anhäufen, was meist den Anfang vom Ende einer Art darstellt.

Evolutionäre Erfolgsstrategien

Der Würzburger Biochemiker Manfred Schartl, der seit rund drei Jahrzehnten über die einzigartige Spezies forscht, hat mit internationalen Kollegen nun herausgefunden, was das Erfolgsgeheimnis des Amazonenkärpflings ist. Dafür haben die Forscher erstmals das Genom der Fischart sowie die jener beiden Kärpflingsarten sequenziert, die für den Amazonenkärpfling genetisch Pate standen.

Eine Erfolgsstrategie liegt laut der im Fachblatt "Nature Ecology & Evolution" publizierten Studie darin, dass die asexuellen Fische gewissermaßen die besten Gene beider Arten mitbekamen. Dazu kommt – und das ist die überraschende Haupterkenntnis der Studie –, dass die Fische gute Mutationen zulassen und sich so langsam auf veränderte Umweltbedingungen einstellen. Evolution sei also auch beim Klonen möglich, was in der Theorie bis jetzt kaum beachtet wurde.

Schließlich nützt dem Fisch die schiere Menge an asexuell erzeugtem Nachwuchs: Pro Wurf schlüpfen rund 50 Klone, die allesamt wieder 50 Klone pro Wurf in die Welt setzen können. (Klaus Taschwer, 13.2.2018)