In den nächsten Jahren können mit der auf der Raumstation ISS zu installierenden Antenne mehr als 15 Millionen Tiere rund um den Globus beobachtet werden.
DLR/MPG

Nach 16 Jahren Vorbereitung tritt das deutsch-russische Icarus-Projekt am Mittwoch in die entscheidende Phase. Um 18.00 Uhr MESZ sollen zwei russische Kosmonauten in einem mehrstündigen Außeneinsatz die Antenne außen an der Hülle der Internationalen Raumstation ISS montieren.

Die Antenne ist das Herzstück der Icarus-Projekts, bei dem Bewegungen von mehreren tausend Tieren erfasst werden sollen. Dabei wollen Forscher Tiere mit Mini-Sendern ausstatten und mit Hilfe der ISS beobachten. Davon erhoffen sie sich Aufschluss etwa über Wanderungen von Zugvögeln, was zum Artenschutz beitragen soll. Zudem soll Icarus in der Zukunft als Frühwarnsystem etwa für Naturkatastrophen wie Erdbeben und Vulkanausbrüche dienen.

Die Hoffnung stützt sich auf Berichte, dass Tiere vor solchen Ereignissen unruhig werden – sich etwa Ziegen am Ätna vor Eruptionen auffällig bewegen. Diesen vermeintlichen siebenten Sinn wollen Forscher nutzen. "Das System erlaubt uns nicht nur zu beobachten, wo ein Tier ist, sondern auch, was es gerade tut", erläuterte Projektleiter Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. "Wir könnten ein globales System intelligenter Sensoren einsetzen, um die Welt zu beobachten."

Testphase nach Montage

Nach der Montage der Antenne ist zunächst eine Testphase geplant, dann soll der Betrieb starten. Icarus steht als Abkürzung für International Cooperation for Animal Research Using Space. Beteiligt sind neben der russischen Weltraumbehörde Roskosmos vor allem die Max-Planck-Gesellschaft, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Universität Konstanz.

150 Forschungsprojekte weltweit warten schon darauf, von den neuen technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Für den deutschen Ornithologen Wikelski steht auf der Prioritätenliste eine Frage ganz oben: "Die Zahl der Zugvögel nimmt weltweit gerade so dramatisch ab, und wir wissen oft weder, wohin sie verschwinden, noch warum. Wenn wir hier nicht schnell Antworten bekommen, damit wir Gegenmaßnahmen ergreifen können, wird es für viele Arten zu spät sein." Ähnliches gelte für die massiv ausgebeuteten Fischbestände sowie viele Meeressäuger in den Ozeanen.

Ziegen bewegen sich am Ätna auffällig, wenn eine Erruption bevorsteht
Foto: Wikelski

Ein weiterer Fragenkomplex, der mithilfe von Icarus auf neue Weise erforscht werden soll, betrifft die Verbreitung von Krankheitserregern durch Tiere: Die Forscher wollen aus dem All die Flugrouten unter anderem von Wasservögeln in Asien und Flughunden in Afrika verfolgen. Das soll Aufschluss darüber geben, wie sich die Vogelgrippe über den Globus verbreitet oder welche Tiere das Ebola-Virus in sich tragen.

Überprüfung des Tiergespürs

Wikelski kommt aber auch noch auf eine weitere spannende Frage zu sprechen und macht zugleich eine Versprechung: "Wir werden in zehn Jahren wissen, welche Tierarten Naturkatastrophen vorhersagen können. Erste wissenschaftliche Daten von Erdbeben und Vulkanausbrüchen legen nahe, dass verschiedene Tiere solche Ereignisse Stunden vorher spüren. Wenn wir diese Fähigkeiten hieb- und stichfest belegen können, würde dies in Zukunft hunderttausenden Menschen das Leben retten."

DLR

Möglich werden diese detaillierten Tierbeobachtungen aus dem All durch die leistungsstarken Empfangsantennen, die weltweit die Daten von 15 Millionen und mehr Sendern an jedem Ort auf der Erde empfangen. Dafür wurden eigens Geräte entwickelt, die mit einer neuen Technologie ausgestattet sind und die gerade einmal fünf Gramm leicht sind. Damit können selbst kleine Tiere wie Zugvögel ausgestattet werden. (tasch, red, 15.8.2018)

Aktualisierung eines Artikels aus dem Februar 2018