"Ich kann das", sagt Andrea Nahles über die künftige Arbeit als Parteivorsitzende. Doch nicht alle sind von ihrer Wahl überzeugt.

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Vor Nahles übernimmt Olaf Scholz kommissarisch den Vorsitz.

Es waren viele Augen, die sich am Dienstagabend in der SPD-Zentrale, in Berlin, noch einmal auf Martin Schulz richteten. Wie erwartet, war er zur Sitzung von Präsidium und Vorstand gekommen, um seinen sofortigen Rücktritt als SPD-Chef zu erklärten.

Er wirkte gefasst, als er sagte, dass er den Parteivorsitz "gerne ausgeübt" habe, jedoch "ohne Bitterkeit und ohne Groll aus diesem Amt" scheide. Mit seinem Rückzug wolle er dazu beitragen, die Personaldebatten in der SPD zu beenden und die Aufmerksamkeit der Mitglieder auf den "guten Koalitionsvertrag" zu lenken.

Wie außerdem vorgesehen, haben die Gremien dann Fraktionschefin Andrea Nahles zur neuen SPD-Chefin und Schulz-Nachfolgerin nominiert. Dennoch lief das ganze nicht nach Plan. Denn eigentlich – so der Wunsch der SPD-Spitze – hätte Nahles die SPD sofort kommissarisch übernehmen sollen.

Doch gegen dieses Vorhaben hat es massiven parteiinternen Widerstand gegeben, vor allem in Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Tenor der Kritik: Dies sei eine Hoppla-Hopp-Aktion, eigentlich müsste bis zur Wahl von Nahles einer der SPD-Vizechefs die Partei zunächst kommissarisch übernehmen.

Derer gibt es genug, nämlich sechs: Malu Dreyer, Natascha Kohnen, Thorsten Schäfer-Gümbel, Olaf Scholz, Manuela Schwesig und Ralf Stegner. Fraktionschefin Nahles hingegen sei kein gewähltes Mitglied des Bundesvorstandes und gehört auch dem Präsidium nicht an.

Im Organisationsstatut der SPD findet sich kein Passus, der genau regelt, was nach dem Rücktritt eines Parteichefs geschehen muss. Vorgegeben ist nur, dass die Wahl des Parteivorstandes durch einen Parteitag erfolgen muss. Für den Staatsrechtler Jörn Ipsen ist das noch am Dienstagnachmittag von der SPD-Spitze angepeilte Verfahren ein Verstoß gegen die Satzung der SPD.

"Ihre Bestellung als kommissarische Vorsitzende wäre ungültig – das ist völlig eindeutig", sagte er der Osnabrücker Zeitung. Auch der Chef der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen, Harald Baumann-Hasske, erklärt in der Welt, für eine kommissarische Übernahme des Vorsitzes bestehe "satzungsmäßig keine Grundlage".

Überraschende Kandidatur ...

Also drehte die SPD-Spitze bei und übergab die Partei erst einmal kommissarisch an den dienstältesten Stellvertreter, Olaf Scholz. Nahles soll dann am 22. April gewählt werden.

Überrascht wurde die Parteispitze auch von der einer weiteren Anwärterin auf den Parteivorsitz. Simone Lange, Oberbürgermeisterin von Flensburg (Schleswig -Holstein), hat angekündigt, beim Parteitag für das Amt der SPD-Vorsitzenden zu kandidieren.

Als Grund für ihren Schritt gibt sie an, die Wahl des Vorsitzenden beziehungsweise der Vorsitzenden dürfe nicht "von einer kleinen Gruppe festgelegt werden." Die 41-Jährige ehemalige Kriminal beamtin schreibt: "Ich kann das Gefühl der Ohnmacht vieler Mitglieder gegenüber denen, die in Berlin Entscheidungen treffen, ohne die Basis einzubeziehen, sehr gut nachvollziehen."

Und weiter: "Eine Einzelkandidatur, die von Funktionsträgerinnen und -trägern beschlossen und ohne große Diskussion durchgewunken wird, kann kein Zeichen für einen Aufschwung oder Neuanfang sein." Sie wolle daher "den Mitgliedern wieder eine Stimme geben" und "der Partei eine Wahl ermöglichen", so Lange.

... aber kaum Chancen

Chancen hat Lange kaum. Doch ihre Kandidatur zeigt den Unmut der Basis. Sie kommt aber nicht überall gut an. Vize Stegner, ebenfalls aus Schleswig-Holstein, rügt: "Jeder von uns ist gut beraten, das Interesse der Partei und des Landes über die eigenen Ambitionen zu stellen. Schluss mit der Disziplinlosigkeit."

Auch 25 Prominente, die sich im Wahlkampf für die SPD engagiert haben, verlangen in einem offenen Brief, "interne Kämpfe zu beenden und keine weiteren Personaldebatten zu betreiben". Unterschrieben haben den Aufruf unter anderem Schauspielerin Iris Berben, Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel, Pianist Igor Levit, Schauspieler Clemens Schick, Schriftstellerin Eva Menasse und Historiker Peter Brandt, Sohn von Altkanzler Willy Brandt.(Birgit Baumann aus Berlin, 13.2.2018)