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An Bord der Turn the Tide on Plastic werden Proben gesammelt, damit wird die Verschmutzung in relativ unerforschten Gebieten erhoben.

Foto: REUTERS/Heino Kalis

Eine Segelregatta rund um die Welt: nicht nur für Abenteurer ein Traum, sondern auch für jeden Meereswissenschafter, um Proben zu ziehen. Bei dem diesjährigen Volvo Ocean Race wurde die Yacht Turn the Tide on Plastic als Forschungsplattform genutzt. Im Oktober starteten die Boote in der spanischen Stadt Alicante, Zielpunkt ist das niederländische Den Haag. Dazwischen liegen unter anderem die Stationen Lissabon, Kapstadt, Melbourne, Hongkong, Auckland, Itajaí und Göteborg. Insgesamt sollen 45.000 Seemeilen zurückgelegt werden. Die vorläufigen Ergebnisse der Wasserproben rufen neue Besorgnis über das Ausmaß an Plastikverschmutzung in den Ozeanen hervor. Denn Mikroplastik wurde in einigen der entlegensten Regionen der Weltmeere gefunden.

Die Proben wurden von Sören Gutekunst und Toste Tanhua vom Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung analysiert, die vom Kieler Exzellenzcluster Ozean der Zukunft gefördert werden. Die Ergebnisse berücksichtigen bis jetzt das Mittelmeer, den Nord- und Südatlantik und den Indischen Ozean. Überraschend war die hohe Dichte an Mikroplastik, die bei 45,5 Grad südlicher Breite gefunden wurde, wie Gutekunst dem STANDARD sagte: "Wir haben östlich von Kapstadt zwar lediglich vier Partikel pro Kubikmeter gemessen, aber in der Mitte der Strecke im Indischen Ozean auch höhere Werte von circa 42 Partikel pro Kubikmeter."

Unerwartet hohe Konzentration nahe Arktis

Zunächst war der Wissenschafter davon ausgegangen, dass durch die relative Nähe zur Antarktis die Werte dort geringer ausfallen würden – was jedoch nicht der Fall war. "Ich könnte mir vorstellen, dass eine Anreicherung durch den Wirbel im Indischen Ozean zustande kommen konnte", nennt Gutekunst eine Theorie zu den bisherigen Messergebnissen.

Diese Erkenntnis, dass Meeresdriftströmungswirbel Müll ansammeln können, gibt es zum Beispiel schon seit Jahrzehnten für den Nordpazifikwirbel. Das hat ihm den unschönen Beinamen Great Pacific Garbage Patch eingebracht, was übersetzt so viel wie "großer pazifischer Müllstrudel" bedeutet. Hohe Werte wurden auch vor der australischen Küste mit 114 bis 115 Partikel pro Kubikmeter verzeichnet.

Wenig Wissen über Ausmaß

Besonders betroffen von einer Konzentration an Mikroplastik im Wasser seien küstennahe Regionen, sagte Gutekunst. Dafür gibt es zwei Gründe: eine erhöhte Anreicherung durch die Strömungen oder erhöhte Abgabe in das Meer. "Hohe Partikelanzahlen pro Kubikmeter von 180 bis 307 haben wir sowohl im Mittelmeer als auch im Nordatlantik gefunden", berichtete Gutekunst weiter. Als Nächstes werden die Proben von der Strecke von Melbourne nach Hongkong analysiert. Ende Februar sollen Proben folgen, die nahe Auckland gezogen werden.

Das Problem des Plastikabfalls in den Meeren beschäftigt zwar seit Jahren die Medien, die Wissenschaft stecke aber noch in den Kinderschuhen, berichtete Gutekunst: "Ich würde sagen, dass das Thema erst seit 15 Jahren langsam Fuß fasst, und ich weiß, dass erst in den vergangenen fünf Jahren circa 60 Prozent der wissenschaftlichen Publikationen erfolgten."

Da in einigen abgelegenen Regionen, durch die die Segelregatta führt, noch nie Proben gezogen wurden, erhoffen sich Gutekunst und seine Kollegen nun weitere Erkenntnisse, was mit dem Mikroplastik in den Weltmeeren geschieht. Im Moment könne die Wissenschaft nur auf Wissen von etwa einem Prozent des Plastikgehalts in den Meeren zurückgreifen, was weitere Analysen für Gutekunst so wichtig macht.

EU reagiert mit Plastikstrategie

Auch auf der politischen Ebene kommt das Thema erst allmählich an. Laut EU-Kommission wurden 2015 weltweit etwa 322 Millionen Tonnen Plastik hergestellt. Davon gelangen zwischen fünf und 13 Millionen Tonnen pro Jahr in die Umwelt, ein Großteil landet im Meer. Günstige Schätzungen gehen von aktuell bis zu 150 Millionen Tonnen Plastikabfall in den Weltmeeren aus.

Der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans erklärte im Jänner, dass es zwar unmöglich sei, Kunststoffe zu verbieten. Die EU-Kommission wolle jedoch verstärkt auf Recycling und Wiederverwertung setzen und im Rahmen der "Plastikstrategie" bis 2030 alle Plastikverpackungen wiederverwertbar machen.

Denn auch die EU-Bürger erzeugen jedes Jahr 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle, es werden aber laut EU-Kommission deutlich weniger als ein Drittel für das Recycling gesammelt. (Julia Schilly, 15.2.2018)