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Die Wahl war erst der Beginn: Cyril Ramaphosa sagt als neuer Präsident Südafrikas Korruption und Misswirtschaft den Kampf an.

Foto: AP / Mike Hutchings

Das war noch einmal, ein letztes Mal typisch Jacob Zuma. Knapp eine Stunde vor Ablauf des Ultimatums seiner Partei und 15 Stunden vor seiner drohenden Abwahl durch das Parlament fand der südafrikanische Präsident am späten Mittwochabend dann endlich doch noch die Worte: "Ich trete mit sofortiger Wirkung von meinem Amt zurück."

Zuvor hatte es in seiner streckenweise verwirrenden Ansprache lange danach geklungen, als ob der 75-Jährige auch diese letzte Möglichkeit zum freiwilligen Abgang verstreichen lassen würde: Immer wieder war darin von seiner Unschuld die Rede – und von seiner Entschlossenheit, sich nur durch ein parlamentarisches Verfahren von der Macht trennen zu lassen. Bis zum Schluss schien Zuma davon überzeugt zu sein, dass er nichts getan habe, was seinen Rausschmiss rechtfertigen könne – Beobachter schreiben das seiner weithin bekannten Kaltschnäuzigkeit zu.

Jacob Zuma war nach Ansicht vieler zweifellos der verheerendste Staats- und Regierungschef in der fast 24-jährigen demokratischen Geschichte des Landes; für viele ist er dafür verantwortlich, dass Südafrika zur Staatsruine zu werden droht. Er ließ raffgierige Ganoven unter der Patenschaft der Gupta-Familie agieren, Staatskonzerne wurden ausgebeutet und Strohmänner in entscheidende Ämter gehievt.

Zauderer, aber mit Ziel

Seit Zumas Austausch eines fähigen, aber ihm gegenüber zu kritischen Finanzministers durch einen genehmen Gefolgsmann dauerte es noch mehr als zwei Jahre, bis Zuma das Handwerk gelegt wurde. Das ist vor allem Cyril Ramaphosa zu verdanken. Mit langem Atem und enormem taktischen Geschick bereitete der einstige Führer der Verhandlungen zwischen der letzten weißen Minderheitsregierung und dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) die Demontage Zumas vor.

Dass er dabei langsam, dafür aber, wie man jetzt sieht, gründlich vorging, trug ihm außerhalb der Regierungspartei oft den Vorwurf eines rückgratlosen Feiglings ein. Doch der Erfolg gibt dem 65-Jährigen, den sich schon Nelson Mandela als Nachfolger gewünscht hatte, recht: Wäre Ramaphosa seinem Gegenspieler aufgeregt ins Messer gelaufen, wäre er schon längst wieder Geschichte. So aber wurde Ramaphosa am Donnerstag, nur knapp 15 Stunden nach der Demission Zumas, zum neuen Präsidenten gewählt – und zwar ohne formelle Abstimmung, da es im Parlament keinen Gegenkandidaten gab.

Der Rücktritt Zumas ist das wohl bedeutendste Ereignis am Kap der Guten Hoffnung seit dem Sieg über die Apartheid vor einem knappen Vierteljahrhundert. Der Niedergang des südafrikanischen Verfassungsstaats scheint nun zumindest aufgehalten: Jetzt kommt es darauf an, wie gründlich der südafrikanische Herkules den Augiasstall ausmisten kann. Ramaphosa hat die Wahl zum ANC-Chef im vergangenen Dezember nur sehr knapp – mit weniger als einem Prozent Vorsprung – gewonnen.

Die ehemalige Befreiungsbewegung Mandelas ist noch immer von Gangstern, Profiteuren und Mitläufern durchsetzt. Letztere werden ihr Fähnchen in den neuen Wind hängen; Erstere, so ist zu hoffen, werden hinter Gittern landen. Doch die verfilzte Herrschaft der prinzipienlosen Profiteure wird ohne entscheidende Eingriffe weitergehen: Längst scheinen sich Zynismus und Korruption in allen Poren der südafrikanischen Gesellschaft eingenistet zu haben. Ramaphosas größte Herausforderung fängt deshalb mit dem Tag seiner Wahl erst richtig an: Wenn er dem 104 Jahre alten ANC und dem Land keine neue moralische und politische Ausrichtung geben kann, wird sein langer Weg wohl umsonst gewesen sein.

Starke Zivilgesellschaft

Dass der pragmatische Manager, Jurist und Christ überhaupt so weit kam, lässt viele Landsleute allerdings hoffen. Südafrikas Institutionen haben sich als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen: Zumas Versuch, die Verfassung auszuhebeln, schlug fehl. Standfeste Richter stoppten immer wieder dessen Anläufe. Und kritische Journalisten und NGOs hielten den Druck aufrecht. Wenn sich Südafrika heute von Kenia, Nigeria oder Simbabwe unterscheidet, dann ist das wohl vor allem der im Kampf gegen die Apartheid entstandenen Zivilgesellschaft zuzuschreiben, zu der einst auch Gewerkschaftsführer Ramaphosa zählte. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 15.2.2018)