Wer weiß wie, kann sich wandeln – in Richtung Sustainable Development Goals

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Insgesamt acht Mal nannte letztes Jahr die gemeinsame Abschlusserklärung der G20-Staats- und -Regierungschefs die Agenda 2030 – auch bekannt als die 17 Sustainable Development Goals (SDGs). Kein Wunder, allein bei der Umsetzung der SDGs für Landwirtschaft, Stadtentwicklung, Gesundheit sowie Energie und Ressourcen beläuft sich das Geschäftspotenzial auf bis zu zwölf Billionen Dollar – das sind mehr als 9700 Milliarden Euro (" Better Business. Better World. The Report of the Business & Sustainable Development Commission 2017"). Die möglichen Geschäftsmodelle sind in Industriestaaten wie Österreich vielfältig.

In erster Linie werden jene Unternehmen profitieren, deren Geschäftsmodell unter Berücksichtigung sowohl der ökonomischen als auch der sozialen und ökologischen Dimension zur Lösung globaler Herausforderungen beiträgt – sei es der Stopp der Klimaerhitzung, die Endlichkeit wichtiger Ressourcen oder die Digitalisierung der Arbeitswelt. Das Potenzial ist dabei gerade in Österreich enorm. Unsere Umweltstandards für Trinkwasserqualität, Abfallwirtschaft oder industrielle Luftfilter waren schon hoch, lange bevor die EU diese hohen Qualitäten als Maßstab für Europa übernommen hat.

Anknüpfen, beschleunigen

In Folge entwickelten heimische Firmen extrem viel Know-how zur Erreichung dieser Qualitäten und exportierten dieses schließlich in alle Welt. An diese Tradition, die zahlreiche im internationalen Vergleich eher kleine oder mittlere österreichische Industriebetriebe bis an die Spitze der Weltmärkte aufsteigen ließ, können wir mit einer ambitionierten und vor allem raschen Umsetzung der SDGs anknüpfen. Derselbe Effekt zeigte sich, als die dänische Politik schon früh die strategische Entscheidung gefällt hat, künftig die Stromversorgung primär durch Windenergie sicherzustellen. Heute deckt Dänemark nicht nur bereits knapp die Hälfte seines Strombedarfs aus Wind, das Land ist auch zu einem der führenden Standorte für Entwicklung und Produktion von Windkraftanlagen geworden. Klimaschutz und der gesicherte Zugang zu modernen und sauberen Energien stehen übrigens im Mittelpunkt gleich zweier SDGs.

Auch die Voestalpine setzt auf dieses Pferd. In Linz errichtet sie derzeit gemeinsam mit Siemens und dem Verbund eine der weltweit größten Pilotanlagen, um künftig den Wasserstoff für die Stahlerzeugung aus Ökostrom statt aus Erdgas zu erzeugen. Angesichts der internationalen SDG-Umsetzung und des damit einhergehenden Pariser Klimaschutzabkommens stehen die Chancen gut, dass die CO2-neutrale Stahlerzeugung die Voestalpine auf Jahrzehnte erneut zum internationalen Vorreiter sowie Technologie- und Anlagenexporteur machen wird.

Lokal, regional

Aber auch heimische Unternehmen, deren Geschäfte weder mit erneuerbaren Energien noch mit Energieeffizienz zu tun und außer ihrem Fuhrpark oder der Büroheizung nichts zu dekarbonisieren haben, werden indirekt von der Umsetzung der beiden Energiewende- und Klimaschutz-SDGs profitieren.

Österreich bezahlt jährlich viele Milliarden Euro für den Import von Erdöl und -gas. Kaufkraft, die unwiederbringlich aus Österreich abfließt und allzu oft auf den Konten multinationaler Konzerne, russischer Oligarchen oder arabischer Scheichs verschwindet.

Ersetzen wir diese Importe durch im Land erzeugte grüne Energie oder durch Energieeinsparungen, beleben diese Milliarden stattdessen den heimischen Wirtschaftskreislauf. Errichtung, Wartung und Betrieb der Energieerzeugungsanlagen und alle möglichen Dienstleistungen rund um Energieeffizienz sichern schon heute tausende österreichische Arbeitsplätze. Und je größer der heimische Anteil am Energiekuchen wird, desto mehr Beschäftigte aus dem Sektor werden ihren Verdienst wieder in Österreich ausgeben können.

Ähnlich positive Mechanismen wirken auch bei der Umsetzung der anderen SDGs. Dafür braucht es aber den politischen Willen und den Ehrgeiz, die SDG-Umsetzung als nachhaltigen Turbo für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zu nutzen. Davon ist in Österreich bislang wenig zu spüren.

Strategie und Strukturen

Ganz im Gegensatz zu Deutschland. Dort lässt sich der Fortschritt im Detail natürlich kritisieren, wenn man etwa beim Klimaschutz einen Schlingerkurs fährt, weil man zwischendurch Angst vor der eigenen Courage bekommt. Aber im Gegensatz zur österreichischen kann man der deutschen Regierung immerhin zugutehalten, dass sie eine Strategie und die Strukturen geschaffen hat, mit denen sich die Ziele erreichen lassen. Die SDG-Umsetzung ist in Deutschland zu Chefsache erklärt worden, Kanzlerin Merkel selbst führt und verantwortet den politischen Prozess.

Unterstützt wird sie dabei von Staatssekretären aus allen Ressorts, die die Zusammenarbeit der Ministerien bei der SDG-Umsetzung koordinieren. Ein Sachverständigenrat aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft war schon an der Erstellung der Strategie beteiligt und sorgt durch laufendes Monitoring und regelmäßige Berichte über den Fortgang für Transparenz.

In Österreich gibt es weder Leadership noch Strategie. Es mangelt an Transparenz bei etwaigen Plänen der Regierung zur SDG-Umsetzung, und die einzig vorhandene Struktur ist eine Arbeitsgruppe auf Beamtenebene, die seit rund zwei Jahren ohne echten politischen Auftrag alleingelassen wird. Wenn wir die vielfältigen Chancen der SDG-Umsetzung für Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt und auch die öffentlichen Haushalte nutzen wollen, muss sich das rasch ändern. Ein Blick über die Grenzen nach Deutschland, nach Tschechien oder zu den skandinavischen Ländern zeigt, wie es gehen kann. Leadership, Partizipation und Transparenz sind dabei die wichtigsten Zutaten, um den Umsetzungsprozess in Gang zu bringen.

Als Erstes muss daher Bundeskanzler Kurz Verantwortung übernehmen und Führungsqualitäten zeigen. Die österreichische Zivilgesellschaft steht jedenfalls zur Unterstützung bei der Entwicklung von Strategie und Strukturen bereit – die SDG Watch Austria versammelt mittlerweile die Expertise von 123 Organisationen in ihren Reihen. (Thomas Alge, 16.2.2018)