Damit ein Volksbegehren dem Volk vorgelegt werden kann, muss zuerst ein Promille der österreichischen Wohnbevölkerung eine Unterstützungserklärung abgeben – um solche wird derzeit geworben.

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Wien – Der ältere Herr auf dem Bezirksamt der Wiener Leopoldstadt will nicht an einen Zufall glauben: "Das macht das Innenministerium doch absichtlich", raunt er in die Richtung mehrerer Frauen, die im Gang stehen und sofort nickend zustimmen. "Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Stimmen da verloren gehen", empört sich eine der Wartenden. Eine andere schüttelt den Kopf: "Bei Wahlen schaffen sie es doch auch."

Beitrag aus der "ZiB" um 13 Uhr.
ORF

Wer am Freitagvormittag eines der aktuell aufliegenden Volksbegehren unterstützen wollte, wurde mit sehr großer Wahrscheinlichkeit wieder nach Hause geschickt: "Server down", hieß es aus dem Innenministerium. Rund zwei Stunden lang waren die Rechner komplett ausgefallen, am Nachmittag ging es dann "in Richtung Normalisierung".

Bereits seit Montag – dem Start des Frauenvolksbegehrens – wird landesweit von Komplikationen berichtet: technische Fehler, Gemeindeämter, in denen man von einem Volksbegehren gar nichts wusste. Am Donnerstag – dem Start des Nichtrauchervolksbegehrens – gab es erste gröbere EDV-Probleme. Am Freitag folgte dann der kurzfristige Totalzusammenbruch des Systems.

"Regelrechter Ansturm"

Überlastung sei der Grund, wird im Innenressort erklärt. Auch einige Magistrate berichten von einem "regelrechten Ansturm" an Unterzeichnern. Derzeit kampagnisieren die Initiatoren von drei Plebisziten gleichzeitig: Neben dem Frauenvolksbegehren und der "Don't Smoke"-Aktion der Ärztekammer gibt es auch ein Volksbegehren zum Thema Asyl in der Europäischen Union.

Den STANDARD ereilten Leserzuschriften aus ganz Österreich, in denen davon berichtet wird, dass Erklärungen nicht abgegeben werden konnten. Ein Grazer schildert, dass er Freitagfrüh vom Portier des Stadtmagistrats verjagt wurde, da das "betreffende Büro bereits geschlossen" habe. Ein anderer schreibt: "Auch so kann man den Willen der Bürger abwürgen."

Online oder persönlich

Damit ein Volksbegehren dem Volk vorgelegt werden kann, muss zuerst ein Promille der österreichischen Wohnbevölkerung (aktuell 8401 Menschen) eine Unterstützungserklärung abgeben – um solche wird derzeit geworben. Erst wenn diese Hürde bewältigt ist, kann das eigentliche Plebiszit unterschrieben werden. Tun das zumindest 100.000 Österreicher, wird das Anliegen schließlich im Nationalrat behandelt.

Eine Unterstützungserklärung kann man entweder online abgeben oder persönlich beim Amt. Am Freitag war beides nicht oder nur mit großer Verzögerung möglich, da jedenfalls auf das zentrale Wählersystem zugegriffen werden muss, was eben nicht ging.

Neues System seit Jänner

Die Umstellung auf ein digitales Verfahren sei erst mit Jänner 2018 erfolgt, deshalb gebe es "Anfangsschwierigkeiten", sagt Robert Stein, Wahlleiter im Innenministerium im Gespräch mit dem STANDARD. "Aber auch mit Papier wäre es zu enormen Staus gekommen, weil die durchschnittliche Abwicklung länger dauert."

Die SPÖ hat eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) angekündigt. Es gehe um "eine Klarstellung zu den technischen Problemen", sagt die ehemalige rote Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner. Das Innenressort kündigte seinerseits eine Evaluierung an.

Schwarz-blaue Pläne durchkreuzen

Mit dem Nichtraucherplebiszit sollen die Pläne der schwarz-blauen Regierung verhindert werden, ein einst mit Zustimmung der ÖVP verabschiedetes Gastrorauchverbot wieder zu kippen. Dieses sollte ab Mai gelten. Mit dem Frauenvolksbegehren wird für Gleichstellung gekämpft.

In Hernals verließ Freitagfrüh ein älteres Ehepaar erfolglos der Magistrat. Auch die beiden vermuten "politische Absicht" hinter dem Serverausfall. Ein zweites Mal wollen sie den Amtsweg nicht antreten: "verlorene Kilometer". (Katharina Mittelstaedt, 16.2.2018)