Mit mittlerweile drei neuen Filmen und weiteren jährlichen Bewegtbildabenteuern hat Disney die zuvor schon länger brach liegende "Star Wars"-Reihe zu einem neuen Goldesel umfunktioniert. Doch der Kampf zwischen Rebellen und Imperium tobt nicht nur auf der Leinwand. Auch Spielehersteller wollen natürlich am Sci-Fi-Hype mitnaschen.

Ein Projekt der originelleren Sorte haben sich Lenovo und Disney einfallen lassen. Verkauft wird ein Set aus einer AR-Brille und Lichtschwert-Controller unter dem Namen "Star Wars: Jedi Challenges". Dank verschiedener Augmented-Reality-Games soll man sich im Wohnzimmer verschiedensten Herausforderungen stellen können – Lichtschwertkämpfe inklusive. Der GameStandard hat sich die Jediritter-Ausbildung näher angesehen.

Inbetriebnahme einfach, nur wenige Handys kompatibel

Mit "Brille plus Controller" wäre der Lieferumfang noch nicht vollständig beschrieben. Mit dabei ist auch noch ein "Peilsender" und ein Kabel zur Verbindung von Handy mit Headset. Während der Controller einen integrierten Akku mitbringt, der über einen microUSB-Port aufgeladen wird, nutzt der Sender zwei AA-Batterien mit 1,5 Volt.

Lenovo

Die Inbetriebnahme umfasst zwar recht viele Schritte und dauert zuerst ein wenig, läuft aber dank einer gut gemachten Anleitung der im Play Store und iTunes bereit stehenden "Jedi Challenges"-App ohne Probleme ab (getestet wurde die Android-Ausgabe). Allerdings sollte man ein Handy nutzen, das sich auf der Liste der offiziell kompatiblen Smartphones befindet. Denn "Jedi Challenges" nutzt ein Projektionssystem und bespielt nur einen Teil des Bildschirms, der nach dem Einlegen des Handys anhand vorgefertigter Profile festgelegt wird.

Ist das eigene Handy nicht darunter, besteht die Gefahr, dass der Ausschnitt nicht gut passt oder Dinge wie auf der "falschen" Seite angebrachte Lautstärke und Einschalttasten hinderlich werden können. So geschehen beim Versuch, die "Jedi Challenges" auf dem OnePlus 5T zu verwenden. Dies war prinzipiell möglich, aber aufgrund der genannten Schwierigkeiten nicht empfehlenswert. Lenovo legte dem Testmuster allerdings ein Moto Z2 Force bei, wo die Einrichtung recht problemlos klappte.

Das Equipment besteht aus einer AR-Brille, einem Lichtschwer-Controller sowie einem Sensor, der für die Platzierung der digitalen Inhalte im Raum benötigt wird.
Foto: Lenovo

Hololens-Prinzip

Nach dem ersten Setup geht es in weiterer Folge schneller, das "Star Wars"-Abenteuer in Betrieb zu nehmen. Das Handy in der Einlegebox des Headsets zu platzieren ist allerdings trotzdem etwas umständlich. Einfach kurz das Erlebnis zu unterbrechen, es herauszunehmen und normal zu verwenden, wenn man etwa einen Anruf erhält, ist ein mühseliges Unterfangen.

Von der Materialwahl und äußeren Erscheinung her wirkt das Headset nicht besonders wertig. Auch der Lichtschwert-Controller und die "Sendestation", die in der Mitte der Spielfläche platziert werden muss, muten mehr nach günstigem Spielzeug an, denn nach teurem Tech-Equipment. Ärgerlich: Die Schaumstoffpölster, mit denen die Brille am Gesicht anliegt, sind fix angeklebt und können nicht einfach ausgetauscht werden.

Innerhalb der Brille wird der Bildschirminhalt des Smartphones von oben auf das Visier reflektiert, ähnlich wie etwa bei Microsofts Hololens. Damit wird der Inhalt der App über das Sichtfeld gelegt. Die Ausrichtung und Platzierung erfolgt anhand des leuchtenden Peilsenders, der inmitten der Spielfläche aufgestellt wird.

Lenovo

Lichtschwertkampf mit Darth Maul und Co.

Es gibt drei Sorten von "Jedi Challenges": Lichtschwertduelle, ein Echtzeitstrategiespiel und Holo-Schach. Ersteres verwendet den Lichtschwert-Controller auch als Waffe, indem es von dessen leuchtender Spitze aus eine Laserklinge emporragen lässt, die sich mit bewegt. Man tritt jeweils zwei Mal gegen Wellen aus verschiedenen Sturmtruppen-Soldaten an, deren Schüsse man mit dem Schwert abwehrt und sie auch mit dem Schwert niederstrecken kann. Anschließend kann man sich bekannteren Charakteren wie Darth Maul stellen.

Grundsätzlich sind diese Kämpfe, insbesondere die Boss-Duelle, das intensivste Erlebnis der "Jedi Challenge". Und das, obwohl man beim Abwehren gegnerischer Schwertattacken vorgezeichnet bekommt, wie man das Schwert halten muss. Auch Gelegenheiten für kritische Schläge und Anwendung verschiedener "Macht"-Fertigkeiten werden angezeigt. Vom Prinzip her entsprechen die Fights dem "Guitar Hero"-Prinzip. Der einfache Zugang und die sanft ansteigende Schwierigkeit sind eine gute Kombination. Dazu ist die Umsetzung auch grafisch und akustisch gelungen, sodass durchaus "Jedi-Feeling" aufkommt.

Auf technischer Ebene gibt es jedoch Nachbesserungsbedarf. Denn die korrekte Ausrichtung der Klinge zum Controller geht regelmäßig verloren, sodass man plötzlich mit einem gefühlt abgeknickten Laserschwert kämpft. Dementsprechend muss man oft mitten im Kampf das Steuergerät gerade halten und diese Ausrichtung per Knopfdruck korrigieren, was auf Dauer einigermaßen lästig ist.

Lenovo

Wohnzimmer-Kriegsführung

Das zweite Game nennt sich einfach "Strategische Schlachten". Hierbei sieht man rund um den Sensor ein Schlachtfeld von oben. Es gilt, durch das Platzieren von Geschütztürmen und Spezialeinheiten rollende Angriffe des Imperiums abzuwehren. Mitunter muss man dabei verschiedene Zusatzobjektive erfüllen und kann auch vorgegebene Aspekte der Karte (etwa fix platzierte Energieschilder) zum eigenen Vorteil nutzen.

Was komplex klingt, ist im Grunde allerdings einfach nur eine Variation des guten, alten Prinzips von "Tower Defense". Das Schlachtfeld scheint aber nie wirklich "stabil" zu bleiben und immer ein wenig zu "wackeln", wenn man sich selbst bewegt. Dazu reicht es mitunter immer noch über Rand der freien Bodenfläche, selbst wenn man etwa zwei mal zwei Meter zum Spielen freigeräumt hat.

Die Steuerung, die ja ebenfalls über den Lichtschwert-Controller realisiert werden musste, ist zu Beginn gewöhnungsbedürftig. Hat man sie einmal intus, geht sie jedoch gut von der Hand. Das Spiel selbst ist trotz des wackeligen Feldes und den zwischen grottig und ordentlich schwankenden Animationen der Figuren, recht kurzweilig. Nach ein paar Durchgängen verliert es allerdings etwas an Reiz, da es trotz neuer Einheiten letztlich an Abwechslung fehlt.

Fades Pseudo-Schach

Die dritte Challenge ist "Holoschach". Mit klassischem Schach hat es allerdings nur gemein, dass das (hier runde) Brett ein kariertes Muster aufweist. Der Rest entspricht eigentlich einem vereinfachten, rundenbasierten Kampfsystem, wie man es aus Rollenspielen kennt. Hier funktionieren die visuelle Umsetzung und Steuerung recht solide, wenngleich manche Animation auch hier noch Feinschliff gebrauchen könnte.

Das Problem dieses Games steckt jedoch darin, dass es sehr schnell sehr langweilig ist. Defacto lässt dieses Holoschach kein Taktieren zu. Man findet stattdessen in teils mühseligem Trial-and-Error heraus, welche Zugreihenfolge durch die Figurenaufstellung so gut wie fix vorgegeben ist, bzw. in welchen Situationen die künstliche Intelligenz des Computergegners absurde Fehler macht.

Unbequeme Tech-Demo

Egal welches Spiel man spielt, nach spätestens einer Stunde dürfte für die meisten Nutzer eine Pause fällig werden. Denn die Brille trägt sich nicht sonderlich bequem und zieht aufgrund des nicht sonderlich gut konzipierten Befestigungsgurts den Kopf ein wenig nach vorne. Dann heißt es wieder, das Telefon mühselig aus Brille und Halterung befreien.

In Summe bleibt von den "Star Wars: Jedi Challenges" der Eindruck einer an sich ambitionierten Techdemo, der es aber an Praxisreife fehlt. Das reicht über die wenig ansehnliche Brille, deren Verarbeitung zu wünschen übrig lässt, bis hin zum Konzept der Inbetriebnahme und den Games selber. Alles funktioniert grundsätzlich, aber nichts wirkt so wirklich fertig oder auch nur – abgesehen von den Lichtschwertduellen – ansatzweise so, wie in den spektakulären Werbevideos.

Für zwei, drei Gaming-Sessions ist das auch ganz okay, zumal es auch zeigt, was für Spielerlebnisse sich in der Augmented Reality realisieren lassen. Für ein Produkt, das als "fertig" für 300 Euro verkauft wird, ist das aber deutlich zu wenig. Freilich, bei Augmented-Reality-Systemen gibt es kaum Alternativen, denn hier gibt es noch keine Umsetzung auf diesem Niveau.

Für deutlich weniger Geld gibt es aber zum Beispiel ganz passables VR-Entertainment mit Googles Daydream-Brille, sofern ein kompatibles Handy vorhanden ist. Für 150 Euro mehr bekommt man eine Brille für Microsofts "Windows Holographic", das technisch merklich ausgereifter ist. Allerdings haben Lenovo und Google mittlerweile die Mirage Solo-Brille vorgestellt, die als eigenständiges System für Daydream funktioniert, ohne dass man ein Handy einlegen müsste. Hier sollten Spielerlebnisse und Hardware deutlich besser aufeinander abgestimmt sein. (Georg Pichler, 18.02.2018)