Das letzte "Lei, lei" war noch gar nicht verklungen. Man meinte, das Ertragen des Villacher Faschings hätte das Bedürfnis nach brachialsatirischer Belustigung in diesem Land fürs Erste gestillt. Da, gerade rechtzeitig zum Ausklang des Faschings, reihte sich Vizekanzler Heinz-Christian Strache noch rasch unter die Satiriker ein. In einem Facebook-Posting definierte er – in deutlicher Anlehnung an eine ORF-Werbekampagne – den Österreichischen Rundfunk als Ort, "an dem Lügen zu Nachrichten werden".

Über den zweifelhaften Wahrheitsgehalt dieser Äußerung werden sich laut Aussage von ZiB 2-Anchorman Armin Wolf die Vertreter der heimischen Justiz die Köpfe zu zerbrechen haben. Wolfs Konterfei ist es, das den freiheitlichen Satireauftritt illustriert (Untertitel: "ORF wie wirr"). Der persönliche Angriff leistet den Hinweis, wer in den Augen des Vizekanzlers für die Produktion von "Lügen" einzustehen habe.

Weil das offenbar noch nicht genug Satire ist, wird in Anlehnung an Trump das Informationsangebot des ORF als "das Beste aus Fake News, Lügen und Propaganda, Pseudokultur und Zwangsgebühr" verhöhnt. Und weil eine derart unlustige Attacke auf ein Medienunternehmen in unseren Breiten, gelinde gesagt, ungewöhnlich ist, musste Strache seiner satirischen Bemühung den Beipackzettel eilig dazulegen. Bei dem Spottposting handle es sich um eine "klar ersichtlich überzogene Satire!".

Man vermag sich gar nicht auszumalen, wie denn in Straches Augen eine Satire auszusehen hätte, bei der er – vielleicht um den Spaß nicht zu weit zu treiben! – für einmal nicht überzieht. Der Umstand, dass Satire die von ihr aufgespürten Übelstände konsequent übertreibt, entspringt keiner Ethik der Unverantwortlichkeit. Schon gar nicht liegt ihm eine Haltung von Jux und Tollerei zugrunde.

Mit Macht ist nicht zu spaßen

Satire stellt, wenn notwendig, Sachverhalte von öffentlichem Interesse auf den Prüfstand, um sie als Missstände zu erweisen, und zwar vor aller Augen. Die Schärfe, deren sie sich dabei gelegentlich bedient, ist der Einsicht in das Funktionieren real wirksamer Kräfteverhältnisse geschuldet. Hohn und Übertreibung sind Mittel der Schwachen. Sie sollen dazu dienen, die Anmaßung der Macht, ihre Neigung zu Korruption und Missbrauch wohlkalkuliert der Lächerlichkeit preiszugeben.

Bizarr wird der Sachverhalt, wenn ehrwürdige Werkzeuge der Satire von der Hand dessen, der aus Gründen der Aufklärung jemand Mächtigeren als verlogen brandmarkt, direkt in diejenige der Regierungsmacht übergehen sollen. Satire ist kein übertragbares Gut, das beliebig die Seiten wechselt. Mit der Macht ist ohnehin nicht zu spaßen – auch dann nicht, wenn ihr Inhaber ein auf die heimische Verfassung vereidigter Vizekanzler ist.

Wer, wie Strache, in angeblich satirischer Absicht "klar ersichtlich überzieht", der okkupiert eine satirische Notwehrmaßnahme, die nicht für seinesgleichen vorgesehen ist. Und so wird man wiederum der freiheitlichen Unsitte gewahr, der Kunst – der die FPÖ gewohnheitsmäßig misstraut – und der Satire "Narrenfreiheit" zu unterstellen, nur um die beiden um ihre Unbotmäßigkeit insgeheim zu beneiden.

Noch ist an Strache kein gottbegnadeter Satiriker verlorengegangen. Doch gnade Gott, alle Regierenden würden mit der nämlichen Lustigkeit Ernst machen. (Ronald Pohl, 16.2.2018)