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"Ich könnte mich aufregen, aber was bringt mir das", sagt Jacobellis.

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Harry How

Lindsey Jacobellis tat, als sei nichts geschehen. Die Dämonen der Vergangenheit hatten sie auch im Phoenix Snow Park in Bokwang eingeholt, doch die beste Snowboardcrosserin der Geschichte lächelte sie weg. "Ich könnte mich aufregen, aber was bringt mir das", sagte die Amerikanerin. Sie konnte ja eh nichts mehr ändern. Platz vier im Finale der Spiele von Pyeongchang. Wieder kein Gold. Vier Olympische Spiele. Kein Gold.

Lindsey Jacobellis, 32 Jahre alt, hat teuer bezahlt für eine spontane, eine überheblich wirkende, zumindest aber eine saublöde Aktion bei den Olympischen Spielen in Turin 2006. Da lag sie im Finale früh in Führung und bald 50 Meter voraus, sie hätte nur noch ganz locker auch den Sprung bewältigen müssen – doch sie hob ab und griff wie bei einem Sprung in der Halfpipe unter das Board, um ein bisschen anzugeben. Sturz. Nur Silber.

Vor Turin war Jacobellis eine Bilderbuchgeschichte für die amerikanischen Medien. Ein All-American Sweetheart, 20 Jahre alt, blonde Locken, hübsch, in einer neuen und coolen Sportart. Und dann das! "Der wohl bekannteste Schnitzer der Olympiageschichte", wie die New York Times schrieb. Kaum jemand erinnert sich an Olympiasiegerin Tanja Frieden aus der Schweiz.Dafür erinnern sich zumindest alle vier Jahre vor allem die amerikanischen Medien an Jacobellis – und das nicht wegen ihrer fünf WM-Titel und der zehn Erfolge bei den X-Games. Jacobellis wurde so oft nach ihrem Turin-Hoppala gefragt, vor Olympia 2010, 2014, 2018, dass sie schließlich einen Mentalcoach zurate zog.

Grandios schief

"Heute ist es ein wenig leichter, mir selbst zu vergeben, weil ich vielleicht verstehe, warum ich etwas getan habe, für das ich keinen bestimmten Grund hatte", sagte sie der New York Times. Sie sei damals in Turin einfach ein Teenager gewesen, "ich wollte mich ausdrücken, ich wollte Spaß haben und mich ganz in den Moment fallen lassen". Es ging grandios schief, und der Moment hat ihr Leben geprägt.

Es war, als hätte der olympische Geist sie mit einem Fluch belegt. Vancouver 2010: Jacobellis fliegt in ihrem Halbfinale aus dem Kurs. Sotschi 2014: Jacobellis führt in ihrem Halbfinale – und strauchelt bei den letzten Wellen vor dem Ziel. Pyeongchang 2018: Finaleinzug, der vierte Platz. 0,43 Sekunden fehlen zu Gold, das an Michaela Moioli aus Italien geht.

Jacobellis trug es mit Fassung. Sie sagte, was sie zuletzt immer gesagt hat, wenn die Frage kam. "Ja, es ist das einzige Ding, das ich nicht gewonnen habe – aber es ist nichts, was mich als Mensch ausmacht." Eher macht sie aus, dass sie sich darüber freut, sich nicht verletzt zu haben. "Damit meine Mutter keinen Herzinfarkt kriegt." (sid, fri)