Machtzentrale: Der Sitzungssaal von Stiftungsrat und Publikumsrat (im Bild) des ORF.

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Wien – Die Bundesregierung macht ihre Zweidrittelmehrheit im ORF-Stiftungsrat fix, mit der sie ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz jederzeit abberufen kann: Der unabhängige Stiftungsrat Franz Küberl, bisher auf einem von neun Regierungsmandaten im obersten ORF-Gremium, wird nicht mehr entsandt, bestätigte der ehemalige Caritas-Chef am Sonntag auf STANDARD-Anfrage.

Nach Informationen des STANDARD soll der Präsident des Katholischen Familienverbands, Alfred Trendl, Küberls Mandat im Stiftungsrat übernehmen. Trendl war bisher Mitglied des ORF-Publikumsrats, ein Gremium mit überschaubaren Kompetenzen, und vertrat dort die Religionsgemeinschaften.

Damit sind fünf statt bisher vier Regierungsmandate im Stiftungsrat der ÖVP zuzurechnen, vier bisher von der SPÖ besetzte Mandate gehen nach dem Regierungswechsel an die FPÖ.

Die FPÖ soll nach unbestätigten Infos das bisher von der ÖVP besetzte Mandat des Landes Oberösterreich erhalten. Derzeitige Stiftungsrätin ist Margit Hauft. Damit kommt die ÖVP auf 15 Mandate im Stiftungsrat, die FPÖ auf neun – und damit die Zweidrittelmehrheit von 24 Stimmen unter insgesamt 35.

*Aus dem Büro von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer wird die Ablöse Haufts bestätigt, nicht aber dass die FPÖ am Zug sei, es heißt: "Wir werden einen neuen Kandidaten oder eine neue Kandidatin für den Stiftungsrat nominieren und diese Personalentscheidung vorher innerhalb der ÖVP-FPÖ Regierungspartnerschaft erörtern. Alles andere entspricht nicht den Tatsachen und ist schlichtweg falsch."

Bisherige Berechnungen einer absehbaren Zweidrittelmehrheit von ÖVP und FPÖ im Stiftungsrat stützten sich auf ein unabhängiges, aber eher bürgerliches Betriebsratsmandat.

Mehrheit sicher, Abwahl nicht

Mit Trendl statt Küberl ist diese Mehrheit eine sichere – eine Abwahl aber keineswegs sicher. Etwa im ÖVP-Freundeskreis dürfte es einige Stimmen geben, die eine rasche Abwahl des ORF-Generaldirektors nur schwer mittragen. Eine solche Abwahl vor oder während der EU-Ratspräsidentschaft könnte Österreichs Medienpolitik international in eine Reihe mit Ungarn und Polen stellen, die ihre öffentlichen Rundfunkanstalten sehr rasch und linientreu umbesetzten.

Als Anlass für eine Abwahl des Sozialdemokraten Wrabetz könnte aber das 300-Millionen-Sanierungs- und Bauprojekt des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg herhalten, das regelmäßig vor Komplikationen steht. Der Rechnungshof könnte seinen Rohbericht über das Projekt vor dem Sommer vorlegen.

Ablöse millionenschwere Kostenfrage

Aber: In den aktuellen Verträgen der ORF-Direktoren sind die Gehälter nach STANDARD-Infos bei vorzeitiger Ablöse bis zum Ende der Funktionsperiode auszuzahlen. Die aktuelle Geschäftsführung, Generaldirektor und Direktoren, sind bis Ende 2021 bestellt.

Bei Jahresbezügen von rund 410.000 bis 420.000 Euro wären zum Beispiel bei Ablöse des ORF-Generals zur Jahresmitte 2018 rund 1,4 Millionen Euro fällig. Mit Jahreswechsel 2018/19 rund 1,2 Millionen. Die Gehälter der derzeit vier ORF-Direktoren – Kathrin Zechner (TV/Produktion), Monika Eigensperger (Radio), Andreas Nadler (Finanzen) und Michael Götzhaber (Technik) – liegen um oder ein Stück über 300.000 Euro pro Jahr.

Eine Umgründung des ORF etwa in eine Aktiengesellschaft könnte die Auszahlung bei vorzeitiger Ablöse aber reduzieren, sagen Menschen mit Einblick in die Regierungsüberlegungen. Und sie sagen: Dann wären nur noch zwei Jahre fällig (diese Information ist nicht überprüft und soll nur Überlegungen zum ORF illustrieren). Dafür braucht es aber jedenfalls ein neues ORF-Gesetz. Die Regierung plant im Juni eine Medienenquete insbesondere auch zu diesem Thema. Ein Entwurf könnte vor dem Sommer vorliegen – oder nach der EU-Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte.

Druckmittel zwei Drittel

Eine Zweidrittelmehrheit mit der allgegenwärtigen Abwahlmöglichkeit erhöht aber jedenfalls den Druck auf ORF-General Alexander Wrabetz, etwa bei der Besetzung von Führungspositionen. Demnächst dürfte er die neuen Funktionen der Senderchefs und wohl auch Senderchefredakteure für die Hauptprogramme ORF 1 und ORF 2 ausschreiben. Mit dieser neuen Struktur wird TV-Direktorin Kathrin Zechner weiter entmachtet. Über Umbesetzungen unter den Direktoren schon vor einem neuen ORF-Gesetz wurde in ORF und Politik seit dem Regierungsantritt im Dezember schon munter spekuliert.

Küberl: "Unabhängigkeit geschäftsfähig gemacht"

Franz Küberl war 20 Jahre im obersten ORF-Gremium, das zunächst Kuratorium, dann Stiftungsrat hieß. In den zwei Jahrzehnten wurde mehr als einmal an seinem Sessel gesägt, weil er sein Mandat unabhängig von politischen Freundeskreisen ausübte (so werden im ORF Fraktionen verschämt genannt). Das ORF-Gesetz definiert die Räte als weisungsfrei und unabhängig und dem Unternehmen verpflichtet.

Franz Küberl.
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"Ich habe mich ans Gesetz gehalten", blickt Küberl im Gespräch mit dem STANDARD zurück auf seine 20 Jahre als "gesetzestreuer Stiftungsrat": "Ich habe das Institut des Unabhängigen geschäftsfähig gemacht."

"Man kann als Stiftungsrat nur dem ORF und dem ORF-Gesetz verpflichtet sein", betont der ehemalige Caritas-Chef: "Ich habe versucht, diese Grundregel durchzuhalten, und kann in den Spiegel schauen. Die nächsten mögen das wenigstens so gut machen wie Unsereiner."

Stiftungsrat: Umbau in Etappen

In den nächsten Tagen dürfte die Bundesregierung ihre neun Stiftungsräte sowie die sechs der Parteien mit Klubstärke im Nationalrat entsenden. Schon in der Sitzung am 22. März haben ÖVP und FPÖ damit eine Mehrheit im Stiftungsrat, aber noch keine Zweidrittelmehrheit.

Nach der Sitzung im März läuft die Funktionsperiode des Stiftungsrats und des Publikumsrats aus. Im Publikumsrat bestimmt der Bundeskanzler beziehungsweise sein Medienminister die Mehrheit – und diese Mehrheit entsendet sechs (bisher überwiegend sozialdemokratische) Mitglieder in den Stiftungsrat.

Im Mai konstituieren sich Publikumsrat und Stiftungsrat neu – dann mit der sicheren Zweidrittelmehrheit für ÖVP und FPÖ. (fid, 18.2.2018)