Die Veranstaltungen von Lega-Chef Matteo Salvini interessieren immer mehr Italiener. Die rechtspopulistische Partei ist Teil eines Mitte-rechts-Bündnisses, das mittlerweile in den Umfragen mit rund 34 Prozent stärkste Kraft ist. Gewählt wird am 4. März.

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"Me ne frego!", ruft Lega-Chef Matteo Salvini am Freitagabend von der Bühne in Latina. Seine Anhänger auf der Piazza johlen und rufen zurück: "Boia chi molla!" Die beiden Ausdrücke – der erste bedeutet "ich pfeif drauf", der zweite "zum Henker, wer aufgibt" – sind zwei Klassiker aus der Zeit der Mussolini-Diktatur und auch heute noch Bestandteile des neofaschistischen Vokabulars. "ME-NE-FRE-GO!" wiederholt Salvini und erklärt darauf seinem Publikum mit breitem Grinsen, dass die linke Regierung ihn deswegen wohl verhaften werde. Immerhin hatte das Parlament erst vor einem halben Jahr ein Gesetz erlassen, das die Verherrlichung des Faschismus unter Strafe stellt.

Aber Salvini weiß, dass er von Regierung oder Justiz nichts zu befürchten hat. Nachdem beispielsweise der Neofaschist und ehemalige Lega-Kandidat Luca Traini Anfang Februar in Macerata aus einem fahrenden Auto heraus wahllos auf dunkelhäutige Passanten geschossen und acht Menschen zum Teil schwer verletzt hatte, verzichtete der regierende sozialdemokratische PD sogar auf die Teilnahme an der Protestkundgebung in der Kleinstadt.

Verherrlichung Mussolinis

Der Grund für die Zurückhaltung sind die in zwei Wochen anstehenden Wahlen – und eine Umfrage, die eine posthume Renaissance des Diktators und seiner faschistischen Ideologie nahelegt. Laut der Erhebung bewerten 19 Prozent der Italiener die Ära Mussolinis, der Italien in eine Allianz mit Adolf Hitler, in den Zweiten Weltkrieg und in eine verheerende militärische Niederlage geführt hat, inzwischen wieder als positiv. Eine weitere Erkenntnis der Umfrage: Nur 73 Prozent der Befragten verurteilen Trainis Tat ohne Einschränkung. Zwölf Prozent gaben an, dass das Schießen auf Menschen zwar ein Verbrechen sei, aber dass es "inzwischen einfach zu viele Schwarze in Italien" gebe. Weitere elf Prozent fanden, dass Traini "nur gemacht hat, was viele andere auch gern täten".

In Latina hatte Salvini, der die separatistische Lega Nord in eine rechtsnationale und rassistische Partei nach dem Vorbild des französischen Front National umgeformt und den Zusatz "Nord" gestrichen hat, ein Heimspiel: Die rund 60 Kilometer südöstlich von Rom liegende 120.000-Einwohner-Stadt war in den Dreißigerjahren von Mussolini gegründet worden. Der originale Stadtkern von "Littoria", wie Latina vor dem Krieg hieß, ist noch fast intakt und wird dominiert von monumental wirkenden Mussolini-Bauten. Salvini hatte für seinen Auftritt eine passende Bühne gefunden.

Seine nächste Bühne könnte Rom sein – mit dem Lega-Chef als Innenminister einer neuen Rechtsregierung. Die jüngsten Umfragen prophezeien einen möglichen Durchmarsch des Lagers: Dem Wahlbündnis aus Silvio Berlusconis Forza Italia (in den Umfragen bei 16 Prozent), der Lega Salvinis (13 Prozent) und den postfaschistischen "Brüdern Italiens" (fünf Prozent) fehlen für eine absolute Mehrheit im Senat und im Abgeordnetenhaus nur noch eine Handvoll Sitze. Als stimmenstärkste Koalition profitiert das Rechtsbündnis massiv vom neuen Wahlsystem, in dem ein gutes Drittel der Sitze über Direktmandate in den Wahlkreisen vergeben wird. Die restlichen Sitze werden im Proporzsystem ermittelt.

Begehrte Direktmandate

Laut den Demoskopen wird Berlusconis Forza Italia dank den Direktmandaten mehr Sitze gewinnen als der PD, obwohl dieser in den Umfragen mit 22 Prozent deutlich mehr Stimmen erzielen wird. Selbst Grillos Protestbewegung, mit 28 Prozent stärkste Einzelpartei, dürfte weniger Direktmandate als die Rechtskoalition erzielen. Auch in einem anderen Punkt sind sich die Demoskopen einig: Die Wahl wird im Süden Italiens entschieden, wo sich die meisten "Wackelwahlkreise" befinden. Nicht umsonst hat der Mailänder Salvini, der den Süden und seine Bewohner jahrelang als mafiös und arbeitsscheu verunglimpft hatte, seine letzten Wahlkampfauftritte dort absolviert.

In Messina und Reggio Calabria war Salvini vergangene Woche noch mit Pfiffen von Gegendemonstranten begrüßt worden. Dies musste er in Latina nicht befürchten. Eine Alleinerziehende sagte, dass Salvini eine Garantie dafür sei, dass man einen Einbrecher im Ernstfall auch töten dürfe. Der mögliche künftige Innenminister formulierte seine Ansichten dazu so: "Wenn einer mein Haus betritt und es auf einer Totenbahre wieder verlässt, dann ist das sein Problem, nicht meines. Vielleicht sucht er sich in seinem nächsten Leben eine andere Arbeit." Die Piazza dankte es mit Jubel und anhaltendem Applaus. (19.2.2018)