Ellensohn greift auch den neuen SPÖ-Chef Michael Ludwig an: "Der designierte Bürgermeister legt Wert darauf, klarzumachen, dass er in puncto Verkehr die Politik von früher verfolgt. Immerhin hat er nicht von Ölkesseln in Wohnungen gesprochen. Innovation nach vorn ist nicht die Stärke der SPÖ."

Robert Newald

Ellensohn: "In der Wiener SPÖ ist mehr Niessl drin, als sie immer gern gehabt hätte im öffentlichen Bild."

Robert Newald

Wien – Die vom designierten Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) überlegte Wartefrist bei der Mindestsicherung für zugezogene Bezieher wird es mit dem grünen Koalitionspartner nicht geben. Das kündigte Klubchef David Ellensohn im STANDARD-Interview an. "Mit uns gibt es keine Verschlechterungen", sagte er.

Beim völlig aus dem Ruder gelaufenen Milliardenprojekt Krankenhaus Nord fordert Ellensohn eine eigene Aufklärungsgrupe innerhalb der rot-grünen Stadtregierung. Diese soll unabhängig von einer möglichen U-Kommission eingerichtet werden. Innerhalb der Wiener Grünen werde es vor dem Sommer sicher keine Personalentscheidungen geben, sagte Ellensohn.

STANDARD: Im November haben die Grünen einen inhaltlichen und personellen Neustart angekündigt. Wie sieht es damit aus?

Ellensohn: Das läuft wie im Fahrplan ausgemacht. Es ist eine Gruppe eingesetzt worden, die arbeitet. Bis Juni werden erste Ergebnisse vorgelegt. Ende des Jahres werden dann die Beschlüsse fallen.

STANDARD: Bis Juni gibt es also keine Personalentscheidungen?

Ellensohn: Die gibt es sicher nicht vor dem Sommer. Änderungen wird es schon geben, etwa beim Wahlmodus. Statuten werden aktuell geprüft und überarbeitet.

STANDARD: Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou sagte, dass alle Führungspersonen der Grünen zur Disposition stehen – also auch Sie. Werden Sie mit den Grünen in die Wien-Wahl 2020 gehen?

Ellensohn: Ich bin jetzt Klubobmann und habe genug zu tun. Noch brauchen wir Grüne keine Personalentscheidungen. Im Mai wechselt einmal die SPÖ ihr Team aus.

STANDARD: Welche inhaltlichen Änderungen kommen?

Ellensohn: Wenn man so scheitert wie wir auf Bundesebene, kann man nicht das Gleiche noch einmal machen. Offensichtlich haben sich nicht genügend Leute dafür interessiert, was wir gemacht haben. Das bedeutet nicht, dass inhaltlich die Grundwerte falsch sind. Trotzdem müssen wir uns fragen: Passt das noch oder nicht?

STANDARD: Passt das noch?

Ellensohn: Durch die neue Bundesregierung hat sich die Situation verschärft. Da wird man neu überlegen müssen, wo es nötig ist, nicht nur Widerstand zu leisten, sondern zu zeigen, wo man Dinge anders macht. Bei der Mindestsicherung wird es einen Angriff der türkis-blauen Bundesregierung geben.

STANDARD: Der designierte Bürgermeister Michael Ludwig kann sich eine Wartefrist bei der Mindestsicherung vorstellen. Wird es das mit den Grünen geben?

Ellensohn: Das ist die Position der SPÖ. Dann gibt es die Position der Grünen. Und es gibt eine Vereinbarung, die seit Februar in Kraft ist und die wir gemeinsam getroffen haben. Ich gehe davon aus, dass das hält. Mit uns gibt es keine Verschlechterungen bei der Mindestsicherung. Die Wartefrist ist eine Verschlechterung – und löst genau kein Problem. Die SPÖ hat bei ihren Wählern große Überschneidungen mit der FPÖ, diese möchten sie zurückgewinnen. Das hat sich sicher auch auf die Wahl des neuen SPÖ-Chefs ausgewirkt.

STANDARD: Ludwig hat bereits angekündigt, dass sich die Grünen auf mehr Gegenwind einstellen müssen. Erwarten Sie Schwierigkeiten in der Koalition?

Ellensohn: Der designierte Bürgermeister legt Wert darauf, klarzumachen, dass er in puncto Verkehr die Politik von früher verfolgt. Immerhin hat er nicht von Ölkesseln in Wohnungen gesprochen. Innovation nach vorn ist nicht die Stärke der SPÖ. Den Lobautunnel entscheiden jetzt Gerichte, nicht der Gemeinderat. Was wir brauchen, ist ein Öffi-Ausbau, das Parkpickerl, eine Verkehrsberuhigung in der Donaustadt.

STANDARD: Interne Kritiker sagen, dass in der Stadt die grüne Handschrift fehlt. Sie wollen eine stärkere Abgrenzung zur SPÖ. Passiert das?

Ellensohn: Es geht nicht ums Abgrenzen von der SPÖ, sondern um grüne Politik. In Wien ist im Wohnungsbau viel passiert. Wir schauen darauf, dass es leistbare Wohnungen gibt, das ist die grüne Handschrift. Aber das ist weniger greifbar als die neue Mariahilfer Straße. Ob wir jetzt mehr Niessl-SPÖ in Wien haben als vorher, wissen wir nicht.

STANDARD: Glauben Sie das?

Ellensohn: In der Wiener SPÖ ist mehr Niessl drin, als sie immer gern gehabt hätte im öffentlichen Bild – aber weniger Niessl als im Burgenland. Wir haben mit der SPÖ in den letzten Jahren gut zusammengearbeitet. Jetzt kommt ein neues Team. Neue Vorschläge, was wir in Wien machen sollen in den nächsten zwei Jahren, habe ich noch nicht gehört. Aber wir sind offen. Etwa die Verantwortung für das Krankenhaus Nord gemeinsam aufzuklären.

STANDARD: Werden die Grünen einem Antrag der Opposition zu einer U-Kommission zum Spital Nord zustimmen?

Ellensohn: SPÖ und Grüne wären gut beraten, nicht zu warten, bis die Opposition endlich weitertut. Wir müssen das Krankenhaus Nord aufklären. Was ist da passiert? Warum kostet das ein paar Hundert Millionen Euro mehr als veranschlagt? Warum hat sich das Projekt so verzögert? Das Krankenhaus Nord ist komplett aus dem Ruder gelaufen. Das Thema ist so groß, das wird eine eigene Gruppe innerhalb der Koalition brauchen – unabhängig von einem U-Ausschuss.

STANDARD: Wie konkret soll diese Gruppe aussehen?

Ellensohn: Das geht sich mit dem monatlichen Jour-fixe-Treffen der Koalition nicht mehr aus. Es braucht Auskunftspersonen. Wir als Grüne haben Interesse, dass das aufgeklärt wird. Die SPÖ sollte das noch größere Interesse daran haben, weil es in ihrem operativen Bereich passiert ist.

STANDARD: Ein grünes Ziel war, das Inseratenbudget der Stadt um 33 Prozent zu kürzen. War das ein zu optimistisches Ziel?

Ellensohn: Der Plan war, die 30 Millionen Euro Werbeausgaben pro Jahr in der Legislaturperiode um ein Drittel zu reduzieren. Im ersten Jahr waren wir bei 23 Millionen Euro, im laufenden Budget stehen nur noch 15 Millionen Euro. Ich bin guter Dinge.

STANDARD: Im Jahr 2016 wurden aber auch drei Millionen Euro mehr, als noch im Voranschlag vorgesehen, ausgegeben.

Ellensohn: Es gibt eine Überförderung des Boulevards. Die Verteilung des Geldes ist schlecht gelaufen. Kürzungen waren mit der SPÖ zu vereinbaren, sinnvoll zu verteilen nicht. Der letzte SPD-Kanzler Gerhard Schröder hat gesagt: "Ich brauche nur 'Bild', 'Bams' und Glotze." Der Zugang der SPÖ unterscheidet sich diesbezüglich nur graduell.

STANDARD: Grüne Projekte hängen in der Warteschleife: der neue Busbahnhof, die Umgestaltung des Schwedenplatzes oder die Rotenturmstraße als Begegnungszone. Wird es das in dieser Legislaturperiode noch geben?

Ellensohn: Das kommt alles – aber nicht in der Geschwindigkeit, die wir gerne hätten. (Oona Kroisleitner, David Krutzler, 19.2.2018)