Immer dann, wenn jemand "die wahre Geschichte" hinter was auch immer für sich beansprucht, ist Skepsis angebracht. Yanis Varoufakis hat ein Buch verfasst, das nun auf Deutsch erschienen ist und von dem behauptet wird, "die Wahrheit" über die europäischen Finanzverhandlungen mit Athen zu erzählen. Es handelt von seiner Zeit als Finanzminister Griechenlands im Jahr 2015, die zwar sehr kurz, dafür aber umso heftiger war. Sieben Monate stand der rebellische Ökonomieprofessor mit Lederjacke und Motorrad in seiner Funktion, die er inmitten der Schuldenkrise seines Landes ausübte.

In "Die ganze Geschichte" hat er nacherzählt, wie er den mächtigen Eurostaaten in den Verhandlungen die Stirn geboten haben will. Varoufakis detailreiche Erzählung beruht auf seinen Erinnerungen, Begegnungen und Gesprächen und auf Aufzeichnungen aus Ecofin- oder EU-Ratssitzungen, aus denen sonst kaum etwas nach außen dringt. Dabei zeigt sich, dass selbst die handelnden Akteure, die Troika, bestehend aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), nicht wirklich an den Deal glaubten, den sie mit Griechenland abgeschlossen hatten. IWF-Präsidentin Christine Lagarde gab rundheraus zu, dass die Politik, auf die die Troika Athen verpflichtet hatte, schlichtweg nicht funktionieren konnte. EZB-Präsident Mario Draghi und selbst Varoufakis' größter Gegner, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, widersprachen dem Griechen im privaten Gespräch mitunter gar nicht.

Nach außen hin verteidigten sie den Deal dennoch, da IWF, EU, EZB, die Spitzen der deutschen und französischen Regierung zu viel politisches Kapital in das Programm investiert hatten. Selbst wenn es recht schwerfällt, über die Eitelkeit des Autors hinwegzusehen, das einem aus jeder der 664 Seiten entgegenschlägt: Sein Buch bietet einen überaus interessanten Blick in die Hintergründe der Eurokrise. (Anna Giulia Fink, 19.2.2018)