Darf ich mal von deinem Schnitzel probieren? Du isst deine Pommes eh nicht auf, oder? Wollen wir teilen? Fragen wie diese sind hierzulande beim Abendessen nicht gern gesehen, entwickelt der Österreicher doch gelegentlich einen Futterneid. Vor allem wenn das Hungergefühl zu groß ist. Gut, dass es auch Menschen gibt, die gerne mit Klischees und eingelernten Mustern brechen. Die beste Möglichkeit, gegen seine Vorspeise-Hauptspeise-Nachspeise-Schranken im Kopf anzukämpfen, ist der Besuch einer Tapas-Bar.

In Wien gibt es eine feine Auswahl dieser spanischen Lokale, in denen kleine Häppchen serviert werden. Jetzt ist eine weitere Bar dazugekommen, die mehr wie ein Imbiss wirkt. Aber ein Imbiss, in dem man gerne sitzen bleiben möchte – vorausgesetzt, man findet Platz. Viele Sitzmöglichkeiten gibt es in der neuen Tapas-Bar von Andrew und Alex Rinkhy nämlich nicht. Ein kurzer Anruf vorher lohnt sich.

Der Fotograf als Kellner

Das Herzstück des Lokals ist die riesige Theke mit Glasvitrine, in der allerlei Köstlichkeiten darauf warten, von Alex Rinkhy auf kleine Teller gebracht zu werden. Ein riesiges Deckenfresko in Form eines Oktopus wurde von Künstler Olivier Hölzl an die Decke gepinselt. Die omnipräsenten Fischkonserven mit Sardinen, Makrelen oder Thunfisch machen Lust auf das, was Andrew Rinkhy gekonnt zu Tisch bringt. Eigentlich ist der Kanadier nämlich Fotograf und hatte bereits Menschen wie Sängerin Joss Stone, TV-Shootingstar Verena Altenberger oder Schauspieler Nicholas Ofczarek vor der Linse. Den Traum vom eigenen Lokal verwirklichte er sich mit seinem gastro-erfahrenen Bruder, den er eigens aus Kannada geholt hat.

Serrano, Prosciutto, Salami (3,90 Euro).
Foto: Alex Stranig

Die beiden beweisen einmal mehr, dass man kein Spanier sein muss, um großartige Tapas zu servieren. Zumal man sich hier nicht auf eine Region festlegen will, wie der erste Teller beweist: Spanischer Serrano, italienischer Prosciutto und Mangalitza-Salami aus Ungarn sind weich und bringen milde Würze mit, die Kraft kommt vom Käse. Spanischer Manchego, italienischer Pecorino und österreichischer Hartkäse werden mit Honig und Pfeffer gepimpt. Großartigst!

Zucchino-Carpaccio (4,30 Euro).
Foto: Alex Stranig

Auf das Carpaccio aus Zucchini, Fenchel und Zitrone kommen geschmorte Tomate und Artischocke. Das hauchdünn geschnittene und erfreulich bissfeste Gemüse bekommt dank Zitronenmarinade ordentlich Säure und sorgt für einen unerwarteten Frischekick.

Kandierte Mandeln (3,30 Euro).
Foto: Alex Stranig

Zwischendurch servieren die Rinkhy-Brüder Mandeln, die sie mit Ahornsirup (das einzig Kanadische in dem Lokal) kandieren und mit etwas Cayennepfeffer würzen. Diese Nüsse schmecken süchtigmachend gut.

Garnelen in Weißwein und Knoblauch (7,90 Euro).
Foto: Alex Stranig

Garnelen werden in Weißwein und Knoblauchbutter gebraten und gelingen sehr passabel. Keine Spur von fettig-buttrigen Fingern. Falls einem das Abfieseln der Tierchen doch zu schmutzig ist, gibt es Zitronenwasser für die Hände. Und das in einem Imbiss. Chapeau!

Wildwurst mit Honig-Ketchup (6,90 Euro).
Foto: Alex Stranig

Richtig Power kommt in Form einer Mariazeller Wildwurst auf den Tisch, die ein mehr als würdiger Ersatz für die Chorizo ist. Die Wurst ist perfekt gebraten. Und obwohl sie nicht ganz so scharf ist wie ihre spanische Verwandte, ist das gebratene Würstchen aus Wildschwein und Reh ordentlich gewürzt. Dazu gibt es hausgemachtes Bioketchup mit Honig.

Und wem das noch nicht genug ist, der darf ganz beherzt eine oder mehrere der portugiesischen Kultkonserven – zum Beispiel mit gefülltem Tintenfisch, geräucherten Muscheln oder Sardinen – bestellen. Tipp: Mit großem Hunger hingehen und die gesamte Karte (drei Personen schaffen das) bestellen! (Alex Stranig, 20.2.2018)

Foto: Alex Stranig

Rinkhy
Zieglergasse 37
1070 Wien
Facebook

Weiterlesen
Google Map – Restaurantkritiken in Wien und Umgebung