Das ist jene Sitka-Fichte südlich von Neuseeland, deren Jahresringe den Beginn des Anthropozäns anzeigen sollen. 1965 sei ein besonderer Anstieg radioaktiver Isotope erfolgt.

Foto: Pavla Fenwick

Sydney/Wien – Es war im Jahr 2000, als der niederländischen Chemiker, Atmosphärenforscher und Nobelpreisträger Paul Crutzen den Begriff Anthropozän erfand. Die Bezeichnung sollte eine neue geochronologischen Epoche markieren: nämlich jenes neue Zeitalter, in dem der Mensch zum wichtigsten Einflussfaktor für die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist.

Auch wenn der Begriff heute mehr und mehr Zustimmung innerhalb der Wissenschaft findet, so ist doch umstritten, wann der Beginn dieses neuen Zeitalters anzusetzen ist. In geologischen Maßstäben machen ein paar Hundert Jahre zwar wenig Unterschied. Dennoch bleibt die Frage, welches Phänomen das neue Zeitalter am besten einläutet.

1800 oder doch nach 1945?

Nach einem Vorschlag britischer Geologen sollte als Beginn des Anthropozäns das Jahr 1800, also der Beginn der Industrialisierung, festgelegt werden. Ab diesem Zeitpunkt nahm der CO2-Anteil in der Atmosphäre besonders stark zu. Andere Forscher plädieren für eines der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg: 1945 wurde die erste Kernwaffe zu Testzwecken gezündet und damit das Atomzeitalter "eingeläutet". Zudem habe ab da der globale Konsum und die Plastikproduktion besonders stark zugenommen.

Chris Turney von der University of New South Wales in Australien ist ein Anhänger eines rezenteren Beginn des Anthropozäns. In einem neuen Aufsatz im Fachblatt "Scientific Reports" präzisiert er seinen Vorschlag gemeinsam mit Kollegen und kommt auf das Jahr 1965, genauer: die letzten Monate dieses Jahres.

Reise auf eine einsame Insel

Turney geht davon aus, dass der Anbruch des neuen Erdzeitalters nicht nur auf der nördlichen Hemisphäre seine Spuren hinterlassen haben sollte, sondern auch auf der Südhalbkugel. Und bei der Suche nach einem möglichst abgelegenem Beweismittel, das die Beginn des Anthropozäns eindeutig markieren würde, begab er sich mit seinem Team nach Campbell Island. Das ist eine unbewohnte Insel rund 600 Kilometer südlich von Neuseeland.

Dort wächst der vermutlich einsamste Baum der Welt, eine rund um 1905 gepflanzte Sitka-Fichte, die ansonsten eigentlich in Kanada beheimatet ist. Der nächste Baum befindet sich auf einem Eiland gut 200 Kilometer von Campbell Island entfernt. Dieser in der Subantarktis gedeihenden Fichte entnahmen die Forscher mehrere Holzbohrkerne, die sie nach chemischen Spuren von Radioaktivität untersuchten.

Nachhaltige Signatur

Tatsächlich zeigte sich in den Jahresringen ein ganz eindeutiger Niederschlag der atmosphärischen Atombombentests – erstaunlicherweise aber erst ab dem Ende des Jahres 1965. Das ist deshalb verblüffend, weil dieses Tests eigentlich ab 1963 verboten waren. Es dürfte aber einige Zeit gedauert haben, bis die radioaktiven Isotope sich über den Globus verteilt haben. Doch 1965 markiert eine so eindeutige Zunahme, dass Turney überzeugt ist, dass dieses Jahr den Beginn einer neuen geochronologischen Epoche abgeben könnte.

Schließlich hat Turney noch ein weiteres Argument für seine Anthropozän-Datierungsmethode anhand der Holzbohrkerne: Die Signatur sei aufgrund der Halbwertszeit der radioaktiven Isotope noch gut 50.000 Jahre messbar. Und das sind dann fast wirklich schon geologische Zeiträume. (tasch, 20.2.2018)